RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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1619-3741
Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht
ZVI
2020
ReportDie Deutsche Kreditwirtschaft (DK)*
Stellungnahme zum RefE des BMJV eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens
Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens (§ 300 InsO-E)
Mit dem vorliegenden Referentenentwurf werden zum einen die Vorgaben der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20. 6. 2019 zur zeitlichen Beschränkung des Restschuldbefreiungsverfahrens für Unternehmer umgesetzt, zum anderen aber auch das Restschuldbefreiungsverfahren für Verbraucher auf drei Jahre verkürzt.
Aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft gibt es gute Gründe, beim Restschuldbefreiungsverfahren zwischen unternehmerisch tätigen natürlichen Personen und Verbrauchern zu unterscheiden. Unternehmer sind im Wirtschaftsverkehr einer deutlich komplexeren Marktlage ausgesetzt, da sie in eine Wertschöpfungskette eingebunden sind. Die dadurch erhöhte Gefahr einer Insolvenz für Unternehmer gegenüber Verbrauchern rechtfertigt auch eine Differenzierung zwischen diesen Personenkreisen. Zudem sind die in der Begründung des Referentenentwurfs erwähnten Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen unternehmerisch tätigen Personen und sonstigen natürlichen Personen aus unserer Sicht lösbar.
ZVI 2020, 239
Sperrfrist für die erneute Erlangung der Restschuldbefreiung (§ 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO-E)
Die Deutsche Kreditwirtschaft begrüßt die Absicht, die Sperrfrist für eine erneute Restschuldbefreiung von zehn auf dreizehn Jahre zu erhöhen. Dadurch bleibt im Ergebnis der Mindestzeitraum von sechzehn Jahren für zwei Restschuldbefreiungsverfahren beibehalten. Auf diese Weise wird die Verkürzung der Abtretungsfrist – jedenfalls mit Blick auf die Sperrfrist – sachgerecht ausgeglichen.
Eine einmalige Überschuldung kann das Ergebnis einer individuellen Notlage sein, für die den Schuldner kein Verschulden treffen muss. Von den Gläubigern kann in solchen Fällen eher ein Beitrag zum wirtschaftlichen Neuanfang des Schuldners verlangt werden. Bei einer abermaligen Überschuldung kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Hintergründe hierfür in der eigenverantwortlichen Lebensführung zu finden sind. Eine zweifache unverschuldete Insolvenz dürfte bei der hier vorzunehmenden typisierenden Betrachtungsweise keine entscheidende Rolle spielen. Die Regelung ist daher auch aus normativer Sicht angemessen, denn sie begegnet der Gefahr einer allzu leichtfertigen wiederholten Verschuldung.
Speicherung des Restschuldbefreiungsverfahrens bei Auskunfteien (§ 301 Abs. 5 InsO-E)
Die beabsichtigte Verkürzung der Speicherung von Informationen über das Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren in Auskunfteien von derzeit maximal drei Jahren auf ein Jahr, wird von der Deutschen Kreditwirtschaft abgelehnt.
Die Informationen von Auskunfteien dienen in der Regel dazu, den potentiellen Gläubiger in die Lage zu versetzen, eine sachgerechte Bewertung der Kreditwürdigkeit des möglichen Schuldners auch unter Berücksichtigung vergangenen Zahlungsverhaltens zu treffen. Dieses legitime Gläubigerinteresse besteht weiterhin.
Bei solchen Verträgen muss der Gläubiger häufig in Vorleistung gehen, weshalb sein Vermögen besonders gefährdet ist. Auch dieser Umstand rechtfertigt ein erhöhtes Informationsbedürfnis, das in Art. 6 Abs. 1 lit. a – den Ausführungen zur Durchführung von vorvertraglichen Maßnahmen – auch ausdrücklich anerkannt ist. Ihm Informationen vorzuenthalten, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der zu fällenden Entscheidung stehen, erscheint nicht sachgerecht. Dies gilt umso mehr, als dass es hier nicht um die Beschränkung von staatlich gesammelten Informationen, sondern um die Beschränkung von privat gesammelten Informationen geht. Die Deutsche Kreditwirtschaft spricht sich auch nicht dafür aus, Informationen schrankenlos zur Verfügung zu stellen, befürwortet aber zumindest die Beibehaltung der bisherigen ohnehin schon sehr strengen Regelungen.
Die aktuelle Rechtslage – Sperrfrist nach § 287a InsO – dient im Übrigen nicht nur dem Schutz der Gläubiger, sondern auch dem Schutz des Schuldners. Ihm soll durch die Sperrfrist vor Augen geführt werden, dass ein in finanzieller Hinsicht verantwortungsvolles Verhalten gefordert wird. Das Restschuldbefreiungsverfahren ermöglicht dem Schuldner, wieder am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Das darf jedenfalls nicht zulasten potentieller Gläubiger gehen. Gerade wenn von den Gläubigern im Restschuldbefreiungsverfahren ein besonderes Opfer hinsichtlich des Erlasses ihrer Forderungen gefordert wird, sollten sie wenigstens künftig in die Lage versetzt werden, die Solvenz des Gegenübers vernünftig beurteilen zu können.
Die Beibehaltung der dreijährigen Speicherfrist ist auch zur Kontrolle der Entscheidung über die Restschuldbefreiung nach § 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO erforderlich. Für Verbraucherinsolvenzen besteht kein öffentliches Insolvenzregister, weshalb insbesondere bei Wohnortwechseln oder Namensänderungen keine effektive Kontrolle der Frist in § 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO möglich ist. Sofern die Speichermöglichkeiten privater Auskunfteien von drei Jahren auf ein Jahr verkürzt werden sollte, würde eine Kontrolle noch weiter erschwert.
Darüber hinaus ist die Jahresfrist auch nicht dazu geeignet, dem in der Begründung zum Referentenentwurf in Bezug genommenen Widerruf der Restschuldbefreiung ausreichend Rechnung zu tragen. Das Widerrufsverfahren benötigt häufig sehr viel mehr Zeit als ein Jahr, weshalb die Information – wann die Restschuldbefreiung erteilt wurde – zu Nachweiszwecken auch unter Bezugnahme auf die Regelungen zum Widerruf der Restschuldbefreiung noch länger zur Verfügung stehen sollte. Dessen ungeachtet kann eine Anknüpfung an diese Regelungen aber ohnehin nur eine rein formal zu bewertende Mindestlaufzeit markieren; sie gibt aber keine Auskunft über eine angemessene, interessengerechte Speicherdauer.
Beibehaltung der Erwerbsobliegenheit (§ 287b), der Abtretung der Arbeitsbezüge (§ 287 Abs. 2)
Die Deutsche Kreditwirtschaft heißt es gut, dass die Erwerbsobliegenheit und die Abtretung der Arbeitsbezüge weiterhin vorgesehen sind. Unabhängig von dem Umstand, dass in der weit überwiegenden Zahl der Insolvenzverfahren die Verfahrenskosten gestundet werden und dadurch für diese Fälle eine faktische Erwerbsobliegenheit besteht, ist die Norm zu Klarstellungszwecken erforderlich. Für die Akzeptanz des Restschuldbefreiungsverfahrens bei den Gläubigern und in der Gesellschaft, ist eine eigenständige, klarstellende Regelung unerlässlich.
Beibehaltung und Ergänzung der Versagungs- und Widerrufsgründe (§§ 290, 297 f. InsO)
Angesichts der Verkürzung der Abtretungsfrist und der nahezu bedingungslosen Entschuldung kommt den Versagungs- und Widerrufsgründen eine besondere regulative Bedeutung zu. Die Beibehaltung der bestehenden Versagungs- und Widerrufsgründe ist vor diesem Hintergrund unabdingbar.
Darüber hinaus sollten die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 2 und 4 InsO zur Missbrauchsvorbeugung verschärft werden. Aktuell spielen diese Versagungsgründe insbesondere aufgrund der schwierigen Beweislage keine große Rolle. Bei einer Umsetzung im Sinne des Entwurfes, würde die Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung des Entschuldungsverfahrens erhöht. Ohne Mindestbefriedigungsquote sinkt zugleich der Anreiz des Schuldners, die Schuldsumme bei drohender Insolvenz möglichst gering zu halten. Vorstellbar sind auch Fallkonstellationen, in denen ein Schuldner schon bei Eingehung der Verbindlichkeit – insbesondere bei dem Erwerb von Verbrauchsgütern ZVI 2020, 240oder Reisen – gar nicht beabsichtigt, diese zurückzuführen, sondern auf eine schnelle Restschuldbefreiung spekuliert. Um solche Fallkonstellationen von vorneherein unattraktiv zu machen, sollte die Durchschlagkraft der § 290 Abs. 1 Nr. 2 und 4 InsO erhöht werden. Dazu könnte z. B. eine Beweislastumkehr im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand eingeführt oder die Anforderung des subjektiven Tatbestandes auf Fahrlässigkeit herabgesetzt werden. Ähnliches gilt für § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO. Zur besseren Durchsetzung dieses Versagungsgrundes sollten die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, sowie die Nachweisführung für die Erfüllung der Erwerbsobliegenheit erhöht werden.
Kein Ausschluss der Schuldnerwohnung von der Verwertung (Art. 23 Abs. 3 der Richtlinie)
Die in der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit, die Schuldnerwohnung – im Rahmen einer verlängerten Entschuldungsfrist – unter besonderen Schutz zu stellen, soll zu Recht nicht in das deutsche Recht umgesetzt werden. Dies ist zu begrüßen. Diese Regelung zielt auf andere europäische Rechtsordnungen und gesellschaftliche Verhältnisse. In Deutschland stellt die Grundschuld ein wichtiges und zugleich das Schuldnervermögen schonendes Sicherungsinstrument dar. Würde die Immobilie unter Verwertungsschutz gestellt werden, fiele dieses Instrument aus. Schuldner müssten andere – regelmäßig deutlich stärker in Schuldnerpositionen eingreifende – Sicherheiten beibringen oder könnten das Sicherheiten erfordernde Rechtsgeschäft gar nicht erst abschließen.
Überleitungsvorschrift zu Artikel 1 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens (Art. 103k Einführungsgesetz InsO-E)
Die deutsche Kreditwirtschaft begrüßt grundsätzlich die im Referentenentwurf vorgesehene schrittweise Verkürzung der Abtretungsfrist. Jedoch ist die Umstellungstreppe zu fein gegliedert. Entwürfe und Vorlagen müssten über Jahre jeden Monat neu angepasst und überarbeitet werden. Das ständige Verifizieren der aktuell geltenden Abtretungsfrist kostet über den zu betrachtenden Zeitraum nicht unerhebliche Ressourcen. Vor diesem Hintergrund schlagen wir eine vierteljährliche Anpassung der Fristen vor. Der im Referentenentwurf verfolgte Zweck – ein Aufstauen der Anträge zu verhindern – kann auch bei diesen Umstellungsintervallen erreicht werden. Zudem regen wir an, den Zeitpunkt für Umstellung der kürzeren Abtretungsfristen auf den Anfang oder das Ende eines Monats zu legen. Die im Entwurf vorgesehenen Daten entsprechen keinem intuitiven Rhythmus, weshalb unbeabsichtigte Umstellungsfehler provoziert werden. Ferner müsste wohl auch dafür gesorgt werden, dass nicht alle Restschuldbefreiungsverfahren wegen der Staffelung der Verfahrensdauer zum selben Zeitpunkt enden. Das dürfte Gerichte und Verwalter, die Abschlussberichte zu erstellen haben, sehr stark belasten und ist damit weder in deren Interesse noch im Interesse von Gläubigern und Schuldnern
Angaben im Gesetzesentwurf zum Erfüllungsaufwand und weiteren Kosten
Der Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft ist – wegen der gleitenden Übergangsfristen gemäß der Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (Art. 103k) – nicht mit dem benannten, einmaligen Erfüllungsaufwand identisch, respektive sind die Entlastungen nicht realistisch.
Durch die vorgesehene Änderung ist es notwendig, insbesondere mit Blick auf die Regelungen des Datenschutzes und der Aufbewahrungsfristen gemäß Abgabenordnung, dass die Verwaltung weitere Aufgaben im Sinne der Sicherstellung der Rechtssicherheit übernimmt. Dies betrifft insbesondere auch die Prüfung im Hinblick auf eine zweite Restschuldbefreiung. Dies muss zukünftig durch die Verwaltung gewährleistet werden.
Die weiteren Kosten, insbesondere die Auswirkungen auf das Preisniveau bzw. die Sozialisierung der steigenden Ausfälle durch Insolvenzen und die in Anlehnung umgesetzten außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren, deren Bedeutung in der Zukunft abnehmen dürfte, werden in erheblichem Umfang steigen. Dies liegt – neben der vorstehend genannten Wechselwirkung – auch an den bislang erst in der zweiten Hälfte der Abtretungsfrist zu verzeichnenden Zahlungen an die Gläubiger, welche künftig entfallen.
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- *)Die Deutsche Kreditwirtschaft ist als Zusammenschluss des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, des Bundesverbandes deutscher Banken, des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken die Interessenvertretung der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände.