Der wirtschaftlich selbstständig tätige Schuldner hat gem. § 295a Abs. 1 InsO in der Wohlverhaltensphase die Obliegenheit, die Insolvenzgläubiger so zu stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre (dazu I.). § 295a Abs. 1 InsO ist durch die Privatinsolvenzrechtsreform 2020 eingeführt worden, ist aber nahezu wortgleich mit seinem Vorgänger § 295 Abs. 2 InsO a. F.
Entsprechende Anwendung findet § 295a InsO im Falle einer Freigabe gem. § 35 Abs. 2 InsO: Im eröffneten Insolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter Klage gegen den Schuldner erheben. Die Obliegenheit aus der Wohlverhaltensphase wird dann zur Pflicht im eröffneten Insolvenzverfahren. Derartige Klagen sind in der Praxis äußerst selten. Insolvenzverwalter scheuen sich häufig, einen solchen Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Noch seltener erreichen derartige Verfahren – wie jüngst – den BGH (dazu II.).
Der Beitrag skizziert die Entwicklung der Rechtsprechung – von den Anfängen bis zur bislang aktuellsten Entscheidung des BGH vom 12. 10. 2023 (BGH
ZVI 2024, 70 (in diesem Heft)). Zudem geht er der Frage noch, ob mit dem neuen § 295a Abs. 2 InsO, wonach der Schuldner beim Insolvenzgericht beantragen kann, die Höhe des abzuführenden Betrages gerichtlich festzusetzen, nunmehr ein sinnvoller ein Ausweg besteht (dazu III.).