ZVI 2022, 41

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht ZVI 2022 ZVI-Dokumentation 

BAKinso: Stellungnahme zur Länderumfrage „Modernisierung des Insolvenzrechtes“ des Bayrischen Staatsministeriums für Justiz v. 28. 10. 2021 (Az. D1 – 3760 – I – 11161/2020)

Der Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte (BAKinso e. V.) – Zusammenschluss der Insolvenzrichterinnen und Insolvenzrichter, Insolvenzrechtspflegerinnen und Insolvenzrechtspfleger, Restrukturierungsrichterinnen und Restrukturierungsrichter- nimmt als Verband der vorgenannten Berufsgruppen zu der vorgenannten Länderumfrage wie folgt Stellung:

I. Vorbemerkungen

1. Der Bundesarbeitskreis vermisst eine Befassung der bayerischen Initiative mit den jüngsten Änderungen des Insolvenz- und Sanierungsrechtes und den kommenden -bereits absehbaren- weiteren Änderungen. Es fehlt eine Beantwortung der Frage, ob in Ansehung dieser,-die Praxis derzeit stark mit Umsetzungsnotwendigkeiten belastenden- Änderungen, weitere Änderungen in absehbarer Zeit hinzukommen sollten und ob dies aus Praktiker*innensicht notwendig und sinnvoll ist.
Mit dem Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiung1 sind gesetzliche Änderungen zum 17. 12. 2019, 1. 10. 2020 und 31. 12. 2020 in Kraft getreten.2 Mit dem „SanInsFoG“ und dem darin enthaltenen „StaRUG“ sind weitere gesetzliche Änderungen zum 1. 1. 2021 in Kraft getreten.3 Mit dem Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG – treten zum 1. 12. 2021 über § 36 Abs. 1 InsO wirkende weitreichende Änderungen des Pfändungsschutzkontorechts in Kraft.4 Mit dem Gerichtsvollzieherschutzgesetz vom 7. 5. 20215 treten ab 1. 1. 2022 bzw. 1. 11. 2022 bzw. 1. 12. 20226 weitere auch insolvenzgesetzliche Änderungen in Kraft.
Die Europäische Kommission hat im Jahre 2020 eine Harmonisierungsinitiative für die nationalen Insolvenzrechte unter dem Motto „Insolvenzrecht – stärkere Konvergenz der nationalen Rechtsvorschriften zur Förderung grenzüberschreitender Investitionen“ gestartet,7 sie soll verschiedenste Bereiche des nationalen Insolvenzrechtes betreffen. Eine Umsetzungsentscheidung wird bis Ende Juni 2022 erwartet.
Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung hat im Sommer 2021 eine „Harmonisierungsinitiative für das deutsche und das französische Wirtschafts- und Insolvenzrecht“ beschlossen.8 Auch hieraus sollen gesetzgeberische Umsetzungsnotwendigkeiten folgen.
=> So sehr auch die Tatsache, dass das Insolvenzrecht „Dauerbaustelle“ ist – und offenbar bleiben soll – vor dem Hintergrund der fluktuierenden wirtschaftlich-politisch getriebenen „Bedürfnisse“ nachvollziehbar erscheinen mag, kann der Bundesarbeitskreis derzeit keine dringende Notwendigkeit für weitere Änderungsinitiativen, die noch dazu „quer“ zu den vorgenannten liegen, erkennen.
Die Insolvenz- und die neuen Restrukturierungsgerichte sind mit der Umsetzung der vorgenannt beschlossenen gesetzlichen Änderungen derzeit ausreichend belastet, hinzu kommen die Probleme mit den nicht einfach überschaubaren verschiedenen zeitlich gestaffelten Inkrafttretenszeitpunkten und die unübersichtliche Lage bei den Antragsformularänderungen im IK-Verfahren hinsichtlich der VbrInsFV.
2. Soweit die nunmehrige Initiative laut dem Anschreiben quasi eine Amortisation der im Zuge der Gesetzgebungsdiskussion zum „SanInsFoG“ erneut nicht umgesetzten Konzentration der Insolvenzgerichte (§ 2 InsO) sein soll, ist festzustellen, dass eine solche Konzentration in Anbetracht der (weiterhin) steigenden Anforderungen an die Fachkunde der insolvenz- und sanierungsgerichtlichen Entscheider*innen unumgänglich ist und von der Praxis weiterhin nachdrücklich gefordert wird.9
=> BAKinso e. V. regt daher auch gegenüber dem Bayerischen Staatministerium (entgegen der deklaratorischen Mitteilung auf S. 11 der Länderumfrage) an, dringend eine Konzentration der dortigen Insolvenzgerichte erneut zu prüfen, zumal die bisherige Argumentation der vermeintlich notwendigen „Ortsnähe“ in Anbetracht der eigenen Vorschläge von bayerischer Seite, das schriftliche Verfahren zum „Regelverfahren“ zu erklären (dazu unten), kaum haltbar erscheint, aber vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung des Verfahrens und der ohnehin sehr häufigen schriftlichen Abwicklung der Insolvenzverfahren natürlicher Personen auch nicht haltbar war. Eine die Fachkompetenz fördernde Konzentration der Insolvenzgerichte erscheint auch in Anbetracht so mancher der nachstehend beantworteten Vorschläge geboten.

II. Die Vorschläge im Einzelnen

1. Einführung einheitlicher Antrags- und Verzeichnis-Formulare auch in IN-Verfahren

Der Vorschlag nennt noch nicht einmal die einschlägige Norm: § 13 Abs. 4 InsO. Die bisherigen Versuche des BMJV, im Bereich der Regelinsolvenz verordnungsmäßig Vordrucke verabschieden zu lassen, sind daran gescheitert, dass die verschiedenen Konstellationen des Regelinsolvenzverfahrens sich nicht in einen Vordruck integrieren lassen, der dann noch „handhabbar“ ist.10 Aufgrund der massiven Kritik aus der Praxis hat das BMJV den Versuch zunächst „ad acta“ gelegt.
=> Die nunmehrige bayerische Vorschlagsinitiative rezipiert diese Historie nicht, und zeigt deswegen auch nicht auf, wie das ersichtliche Problem bewältigt werden könnte. Notwendig wären Vordrucke für mindestens vier Konstellationen: Natürliche Person, KMU, kleinerer Konzern (z. B. GmbH & Co. KG), Konzerninsolvenz, weiterhin ist jeweils (!) § 102c § 5 EGInsO zu berücksichtigen und zu integrieren.
ZVI 2022, 42

2. Übertragung der IK-Verfahren auf die Rechtspfleger

Auch dieser Vorschlag hat eine lange Historie und überwiegend in der Praxis Ablehnung erfahren.11 Die nunmehrige Initiative erwähnt die in der Fachliteratur bisherig dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht.
Eröffnungsbeschluss und RSB-Versagung sind grundrechtlich relevante Eingriffe i. S. d. Rechtsprechungsvorbehalts.12 Auch die im Wortlaut der nunmehrigen Initiative auftauchende Vorstellung („Bearbeitung in einer Hand“), das IK-Verfahren werde dann „nie“ von Richter*innen bearbeitet werden müssen, ist in Anbetracht im Eröffnungsverfahren auftretender Zwangsmaßnahmenotwendigkeiten (Haftbefehl, Postsperre, Durchsuchung) und der zwingend im richterlichen Bereich bleibenden Versagung der RSB, schlicht unrichtig.
Bereits der Regierungsentwurf vom 18. 7. 2012 zur Änderung der InsO, auch in der Fassung vom 31. 10. 2012, hatte diese Änderung nicht mehr zum Gegenstand gehabt. Versuche des Bundesrates, eine „Länderöffnungsklausel“ zu erreichen,13 hatte die Bundesregierung zu Recht dann abgelehnt.14

3. Schriftliche Verfahrensführung

Der Vorschlag, das schriftliche Verfahren – im Wissen um die Probleme von Großverfahren, Entscheidungen nach § 160 InsO, der Unmöglichkeit von schriftlichen Abstimmungen im Planverfahren (§ 240 InsO !, Stimmrechtsfeststellung !) –zum „Regelfall“ zu erklären, geht an den Notwendigkeiten der insolvenzgerichtlichen Praxis und den – steigenden – Anforderungen nach Gläubigerpartizipation vorbei. Die derzeitige Regelung des § 5 Abs. 2 InsO ist ausreichend und eröffnet genügend Ermessensspielraum.
Jüngste Rufe nach umfangreicher Digitalisierung der Gläubigerversammlungen beschreiben den Counterpart der Meinungsbandbreite,15 stellen aber auch aus Sicht der insolvenzgerichtlichen Praxis – zumindest bei den derzeitigen technischen Möglichkeiten auch im Bereich der nicht zu vernachlässigenden Kleingläubiger – keine allgemein sinnvolle Lösung dar.
=> Der derzeitige Gesetzessstand mit den Verweisen in § 4 InsO, § 39 StaRUG auf § 128a ZPO als optionale Lösung genügt.

4. Verfahren bei mehreren Insolvenzanträgen gegen einen Schuldner

Der Vorschlag geht von unkorrekten Voraussetzungen aus, er behauptet, es sei bei parallel laufenden Eröffnungsverfahren über den/die gleichen Schuldner*in notwendig „identische“ Sicherungsmaßnahmen zu treffen.
Die Behauptung ist nicht nachvollziehbar, die Sicherungsmaßnahme im ersten Eingangsverfahren genügt und kann bei dessen Rücknahme/Erledigung (was nur bei Gläubigeranträgen eine praktische Rolle spielen würde) auf gleichzeitig weiterlaufende Verfahren erstreckt werden. Welche „gesetzliche Klarstellung“ die bayerische Initiative wünscht, ist weder ersichtlich noch eine solche notwendig.

5. Straffung des Verfahrensablaufs bei Restschuldbefreiung

Der Vorschlag der Initiative geht wiederum von falschen Voraussetzungen aus, indem unterstellt wird, Verfahren mit Restschuldbefreiungsantrag würden regelhaft „kurz“ laufen – und offenbar unproblematisch sein, deshalb könnte gesetzlich auf den Berichtstermin verzichtet und die Anmeldungen erst zum Schlussbericht geprüft werden. Richtig ist hingegen, dass Restschuldbefreiungsverfahren natürlicher Personen im IN-Bereich häufig „asymmetrisch“ verlaufen (weshalb der Gesetzgeber § 300a InsO geschaffen hat), Freigabeentscheidungen nach § 35 Abs. 2 InsO und Entscheidungen nach § 160 InsO erfordern und auch u. U. Betriebsfortführungen zum Gegenstand haben. Die durchschnittliche Laufzeit beträgt 3 Jahre und neun Monate;16 bei Fortführungs-, Grundstücksverwertungs- und Anfechtungsproblematiken durchaus auch länger. Ein Verzicht auf den Berichts- und „Weichenstellungstermin“ ist hier nicht möglich. Auch in IK-Verfahren treten durchaus häufiger Verwertungsproblematiken auf, die Gläubigerentscheidungen erfordern. Dazu ist dann eine Forderungsanmeldung und Stimmrechtsprüfungsmöglichkeit erforderlich.
=> Eine gesetzliche Regelung, erst zum Schlussbericht Forderungen zu prüfen, ist damit nicht vereinbar; sie wirkt auch nicht verfahrensverkürzend. Der Regelungsvorschlag ist nicht sinnvoll.

6. Verwalterseitige Belehrungen bei Anmeldung deliktischer Forderungen

=> Der Vorschlag ist weder nachvollziehbar noch mit der derzeitigen Praxis, den Verfahrensnotwendigkeiten und der BGH-Rechtsprechung vereinbar.
Die Belehrung nach Anmeldung einer Forderung i. S. v. § 302 InsO hat zwingend durch das Gericht zu erfolgen, da erst dies die Attributswiderspruchsmöglichkeit startet und dem/der Schuldner*in auch ermöglicht werden muss, seinen RSB-Antrag noch zurückzunehmen.17
Würde die Belehrung von Seiten des Verwalters erfolgen, würde der Gesetzgeber damit die Neutralität des Verwalters „durchbrechen“, da dieser mit Attributsanmeldungen gem. § 302 InsO bisher gar nichts zu tun hatte,18 da diese die Verteilung nicht tangieren und der Verwalter müsste jede Belehrung dem Gericht nachweisen,19 denn die Belehrung ist Rechtskraftvoraussetzung.20 Weiterhin würden durch eine Verwalterbelehrung Wiedereinsetzungsproblematiken potenziert.21

7. Klarstellung hinsichtlich der Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen

=> Der Vorschlag adressiert ein in der Praxis infolge der BGH-Entscheidung vom 3. 4. 201422 bekanntes Problem, löst es aber nicht adäquat.
Er würde zu regelhaftem Bestreiten der Gesamtforderung inklusive Attributsanmeldung führen,23 obwohl schuldnerseitig gegen die Forderung als solche nichts einzuwenden ist. Dies würde regelhaft Forderungsfeststellungsstreitigkeiten auf beiden „Ebenen“ nach sich ziehen und die Zivilgerichte belasten. Sinnvoller wäre eine gesetzliche Klarstellung, dass ein vollstreckbarer Tabellenforderungsauszug bei Attributswiderspruch bei Erteilung der RSB nicht mehr zu erteilen ist, dies würde dazu führen, dass der/die Schuldner*in bis zur gerichtlichen Klärung der Attributsberechtigung vollstreckungssicher zur Frage der Reichweite der RSB-Erteilung wären.

8. Auslagerung der Ansprüche aus unerlaubter Handlung

=> Der Vorschlag ist nicht sinnvoll.
In der gerichtlichen Praxis werden im Regelfall die Attributsforderungsanmeldungen nicht mit schuldnerseitigem Widerspruch beant-ZVI 2022, 43wortet. Die Insolvenzgerichte gelangen daher häufig auch hinsichtlich des Attributs zu einer Feststellung. Der Vorschlag würde dazu führen, dass die Zivilgerichte in einem kontradiktorischen Verfahren jede Attributsforderung bearbeiten müssten. Der Schuldner hätte zudem dann mit Erteilung der RSB, solange dieses Verfahren läuft, keine Sicherheit zur Reichweite der RSB-Erteilung.

9. Beschränkung nachträglicher Forderungsanmeldungen nach § 177 InsO

Eine zeitliche Beschränkung der Forderungsanmeldemöglichkeit (§ 177 InsO) ist immer wieder in der Vergangenheit diskutiert worden.24 Bei der Ausfallforderung (§ 190 Abs. 1 InsO) ist ein „zeitliches Vorziehen“ häufig wegen der Wartenotwendigkeit bis zur Verwertung des Sicherungsgegenstandes schon per se nicht möglich. Bei den übrigen Forderungen mag eine zeitliche Kappungsfrist analog § 259b InsO sinnvoll sein. Eine Erstreckung auf die Attributsanmeldung25 würde die zuvor erörterten Problemkonstellationen weiter begrenzen.
=> Sinnvoll wäre eine Klarstellung, bis wann eine Forderungsanmeldung zurückgenommen und diese Rücknahme widerrufen werden kann.26

10. Quorum für die Zulassung von Insolvenzplänen

Quoten- oder Zustimmungsquoren (auch) für Insolvenzplanvorlagen sind dem österreichischen Insolvenzregime nicht unbekannt und für das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren in § 309 Abs. 1 InsO schon normiert. Die anvisierte Regelung könnte die Vorlage von Insolvenzplänen ohne Erfolgsaussicht begrenzen helfen.
=> Falls solches geregelt werden sollte, muss der sichere Nachweis der außergerichtlichen Befassung der Gläubiger mit genau dem Plan, der dann dem Gericht nach § 231 InsO vorgelegt wird, mit geregelt werden.
=> Weiterhin wäre dringend im Rahmen des Verfahrens nach § 231 InsO eine Begrenzung der wiederholten schuldnerseitigen Vorlage von Insolvenzplänen nach Abänderung(sversuchen) aufgrund gerichtsseitiger Bemängelungen zu regeln. Die Insolvenzgerichte werden mit teilweise bis 7- und 8-facher wiederholter Planvorlage im Vorprüfungsverfahren nach § 231 InsO sehr belastet, weil gerichtsseitige Bemängelungen nur unzureichend beseitigt werden oder gar Abweisungsentscheidungen erst abgewartet werden.27 Insofern wäre mit einer überschaubaren Änderung in § 231 Abs. 2 InsO den Insolvenzgerichten sehr geholfen, indem dort die Sentenz „vom Gericht nicht bestätigt“ in der Form „vom Gericht nicht bestätigt oder im Vorprüfungsverfahren abgelehnt“ ergänzt wird.

11. Beschränkung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens in Verbraucherinsolvenzverfahren

Der Vorschlag, die außergerichtliche Zustimmung von Gläubigern i. S. v. §§ 307 – 309 InsO für den gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan bindend zu machen, stößt auf verschiedene praxisrelevante Umsetzungsprobleme: zunächst müsste sichergestellt sein, dass der gerichtlich vorgelegte dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan exakt entspricht. Wenn der Schuldner den außergerichtlichen Plan aber infolgedessen nicht mehr vor Antragstellung ändern kann, kann er nicht mit der Antragstellung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO sechs Monate zuwarten dürfen, denn binnen solcher Zeiträume ist es doch ziemlich wahrscheinlich, dass sich schuldnerseitige Verhältnisse geändert haben und der vorgerichtliche Schuldenbereinigungsplan nicht mehr aktuell ist.
Die Bindung von Gläubigern an außergerichtliche Zustimmungen wird u. U. rechtlich schwer regelbar sein, zumindest ist der diesbezügliche Schriftverkehr dann streitentscheidend. Die Insolvenzgerichte schaffen mit der Feststellung des Zustandekommens eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans einen Titel (§ 308 Abs. 1 InsO). Inwiefern sie dabei an die schuldnerseitigen Darlegungen der regelgerechten Zustimmung bestimmter Gläubiger im außergerichtlichen Verfahren gebunden sein sollen, ist auch im StaRUG-Verfahren eine Problematik (§ 22 StaRUG, § 63 Abs. 3 StaRUG). Ähnliche Regelungen wären auch hier erforderlich.
=> Soweit die nunmehrige Initiative meint, die Daten außergerichtlich zustimmender Gläubiger seien vom Gericht nicht zu erfassen, beruht dies auf einer Verkennung der Wirkungen des titelfeststellenden Beschlusses (§ 308 Abs. 1 InsO).
Da dieser notwendigerweise zuzustellen ist (§ 308 Abs. 1 Satz 3 InsO), bedarf es einer Erfassung der Adressen aller Gläubiger. Die Zustellung muss auch bei allseitiger Zustimmung im gerichtlichen Verfahren erfolgen, weil die titelerzeugende Wirkung gegenüber den außergerichtlich zustimmenden Gläubigern mitgeteilt werden muss, die ja am gerichtlichen Verfahren nicht teilnehmen (sollen) und davon i. d. R. nichts erfahren würden. Eine Arbeitserleichterung ist insofern nicht ersichtlich. Der weitere Vorschlag, ein Quorumserfordernis für § 306 Abs. 1 Satz 3 InsO zu regeln, entspricht bereits dem Antragsformular im Verbraucherinsolvenzverfahren (VbrInsFV – Anl. 2 A), wo das außergerichtliche Abstimmungsverhalten zur Qualifizierung des folgenden Ankreuzbegriffes „aussichtsreich“ anzugeben ist.
=> Einer das gerichtliche Ermessen einschränkenden Regelung bedarf es daher nicht.

12. Ersetzung der Zustimmung gem. § 309 InsO

=> Dieser Initiativvorschlag und seine Begründung sind für Insolvenzpraktiker nicht nachvollziehbar.
Das Gericht muss doch zunächst abwarten, ob das Zustimmungsersetzungsquorum überhaupt erfüllt ist und die ablehnenden Gläubiger müssen dann dazu rechtliches Gehör erhalten, sie müssen doch ihre Ablehnungsgründe nicht von vornherein ausführlich darstellen, wenn sie gar nicht davon ausgehen müssen, dass das Quorum nicht erreicht werden wird.
Insofern stellt das Erreichen des Quorums, also die Zustimmungsersetzungsfähigkeit, einen neuen verfahrensrechtlichen Sachumstand dar, der im Rahmen des verfassungsrechtlich gebotenen rechtlichen Gehörs doch erst einmal mitgeteilt werden muss. Sofern die Initiative vorschlägt, das Gericht könne quasi von Amts wegen Gründe nach § 309 Abs. 1 Satz 2 InsO „im Rahmen seiner Prüfung“ (welcher Gründe und welchen Vorbringens denn – ohne rechtliches Gehör für die Gläubiger?) feststellen oder nicht, lässt dieser Vorschlag ein angemessenes Verständnis des notwendigen Anhörungsverfahrens und der gerichtlichen Neutralität vermissen. Weshalb Gläubiger, wenn sie denn nach § 307 InsO in das Verfahren eingebunden sind, „zahlreiche Sachstandsanfragen“ stellen sollten – wovon BAKinso e. V. aus der Praxis nichts bekannt ist – ist völlig unverständlich, denn umgekehrt würde ja die Umsetzung des Vorschlages der Initiative bedeuten, dass die Gläubiger das Abstimmungsergebnis gar nicht mitgeteilt bekommen würden. Dass dieses dann – erst recht – zahlreiche Nachfragen erzeugen würde, liegt auf der Hand.
=> Der Vorschlag wird daher als nicht sinnvoll und gar kontraproduktiv bewertet.

13. Verwalterantragsrecht wegen Verstoß gegen Obliegenheiten nach § 296 InsO

Der Vorschlag ist ersichtlich geeignet, die Neutralität des Insolvenzverwalters/Treuhänders stark zu gefährden. Der Gesetzgeber hat das Versagungsantragsrecht dieser Bestellungspersonen zu Recht auf den ZVI 2022, 44Fall des § 298 InsO begrenzt. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass Verwalter/Treuhänder in ihren Berichten auf entsprechende Verstöße der Schuldner*innen explizit hinweisen dürfen.28
=> Dies genügt nach Ansicht vom BAKinso e. V., um eine adäquate Reaktion der Gläubiger zu ermöglichen. Im Übrigen hat der BGH zu Recht selbst eine Hinweispflicht auf das Erreichen der „Mindestquote“ im Rahmen von § 300 InsO abgelehnt.29

14. Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 298 InsO von Amts wegen bei unbekanntem Aufenthalt des Schuldners

Der Vorschlag offenbart – trotz peripherer Erwähnung – eine Unkenntnis der Reichweite der Vorschriften der § 8 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 2 InsO.
In den erwähnten Konstellationen findet danach keine Anhörung des Schuldners statt, der Versagungsbeschluss wird ihm nicht zugestellt, ggf. kann über § 9 InsO vorgegangen werden.30

15. Entfall der Verstrickung von Gesetzes wegen

=> Der Vorschlag ist – zumindest in der dargebrachten Form – nicht nachvollziehbar.
Das Verstrickungsproblem stellt sich nur in Verfahren mit erfolgreichem Restschuldbefreiungsantrag. Denn hier „durchbricht“ die Verstrickung die gesetzliche Wirkung des § 301 InsO.
Ob es sachgerecht ist, in jedem Verfahren, in welchem der Erfolg eines RSB-Antrages noch gar nicht festzustellen sein kann, bei Eröffnung dem Pfändungsgläubiger einer unanfechtbaren Pfändung den gesicherten Rang zu nehmen, darf bezweifelt werden, in Insolvenzverfahren ohne RSB-Antrag ist dies sicher nicht gerechtfertigt. Die Insolvenzpraxis hat bisher – zutreffend – mit Aussetzungsbeschlüssen während des Verfahrens gearbeitet,31 weshalb dies nicht praxisgerecht sein soll, ist nicht ersichtlich.
=> Es sollte erwogen werden, dieses Vorgehen im Bereich des § 89 InsO ausdrücklich zu regeln und die den Insolvenzgerichten Probleme bereitende unklare Zuständigkeitsfrage (Vollstreckungsgerichtsrechtspfleger*in? Insolvenzrichter*in? Insolvenzrechtspfleger*in?) gleich mit zu klären.

16. Änderungen im Recht des Pfändungsschutzkontos

=> BAKinso e. V. schlägt vor, siehe bereits I., zunächst einmal das Inkrafttreten und dann die Wirkungen und die gerichtliche Praxis mit dem neuen PKoFoG abzuwarten.
Daher in gebotener Kürze zu den Vorschlägen nur Folgendes:
a) Die generelle Freigabe per „Quellenschutz“ verunmöglicht im Insolvenzverfahren die massegenerierende Kontrolle ggf. doch pfändbarer Beträge.
b) Die Überantwortung der Ausstellung von Bescheinigungen nach § 850k Abs. 5 ZPO auf die Insolvenzverwalter*innen würde zu einem Vergütungszuschlagsanspruch führen und wäre daher masse- und schuldnerbelastend, ggf. über § 4a InsO auch staatskassenbelastend. Die Entlastung der Insolvenzgerichte würde damit „erkauft“, ob dies sinnvoll ist, mag dahingestellt bleiben.
c) Der weitere Vorschlag ist nicht nachvollziehbar. Bereits bisher war eine „Freigabe“ des P-Kontos nicht notwendig.32 § 36 Abs. 1 Satz 3 InsO n. F. i. d. F. PKoFoG stellt klar: Der Insolvenzverwalter muss bei Vorliegen eines P-Kontos keine (zusätzliche) Freigabe des Guthabens erteilen, denn im Rahmen der Freibeträge des P-Kontos kann der Schuldner frei verfügen. Das Insolvenzgericht ist von jeher mit solchen „Freigaben“ nicht befasst.
d) Der Vorschlag ist derzeit nicht nachvollziehbar. § 850k Abs. 4 ZPO i. d. F. PKoFoG regelt künftig den Sonderfall mehrerer Schuldnerkonten. Hierzu ist eine gerichtliche Entscheidung veranlasst.
Vorstand und Beirat
1
1)
BT-Drucks. 19/25251 v. 15. 12. 2020.
2
2)
BGBl I 2020, 3382.
3
3)
BT-Drucks.19/24181.
4
4)
BT-Drucks. 19/19850; BR-Drucks. 610/20; BGBl I 2020, 2466.
5
5)
BT-Drucks. 19/29398; BGBl I 2021, 850.
6
6)
S. Art. 7 des Gesetzes.
7
7)
Hierzu die BAKinso-Stellungnahme v. 31. 1. 2021 unter www.bak-inso.de/Dokumente.
8
8)
ZInsO 2021, 1716.
9
9)
Holzer, INDat Report 3/2019, 13; Vallender, ZInsO 2017, 2464; Weitzmann, ZInsO 2017, 2491, 2493; Frind, INDat Report 8/2017, 40; Entschließung BAKinso-Jahrestagung 22. 11. 2016, ZInsO 2016, 2432 = NZI 24/2016, XII; Madaus, INDat Report 7/2016, 25; NIVD e. V. v. 2. 12. 2016, NZI 24/2016, XI; Beth, ZInsO 2017, 152 m. w. N.; Depré, in: Festschrift Wellensiek, 2011, S. 271; Richter, INDat Report 6/09, 38 f.: Bericht der Arbeitsgruppe in NRW; Uhlenbruck/Vallender, NZI 2009, 1, 3; Zypries, NZI-aktuell, 1/09, V; Uhlenbruck, ZInsO 2008, 396; Uhlenbruck, in: Festschrift Fischer, S. 509 ff.; Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157, 166; BAKinso, ZInsO 2007, 489; Heyrath, ZInsO 2006, 1196, 1198; Ries, BJ 2006, 406, 411. "Waffengleichheit" wird reklamiert (Leithaus, Editorial NZI 15-16/2017, V).
10
10)
Entwurf des BMJV v. 27. 2. 2014, abl. Stellungnahme BAKinso e. V. v. 12. 3. 2014, ZInsO 2014, 592, da keine Trennung nach jurist./nat. Personen, zu kompliziert.
11
11)
Befürwortend Lissner, ZInsO 2012, 1164; Lissner, ZVI 2012, 93; Diskussionspapier des Beirates des ISR Düsseldorf v. 20. 7. 2018; Bogumil, NZI 2018, 774; ablehnend Jacobi, InsbürO 2012, 123; Frind, ZInsO 2012, 475; Laroche, NZI-aktuell, Heft 6/2012, V; Schmerbach, NZI 2012, 161; Heyer, ZVI 2011, 437; Stephan, ZVI 2012, 85, 92; BAKinso-Entschließungen der Jahrestagungen v. 5. 11. 2012 und v. 26. 11. 2018.
12
12)
Hierzu Biegelsack, ZInsO 2012, 1009.
13
13)
Stellungnahme v. 21. 9. 2012 -BR-Drucks. 467/12.
14
14)
BReg. v. 31. 10. 2012, BT-Drucks. 17/11268.
15
15)
Jungmann/Windau, NZI 2021, 849 m. w. N.
16
16)
Kranzusch, Institut für Mittelstandsforschung Bonn, IFM-Materialien Nr. 186.
17
17)
BGH ZVI 2020, 96 = ZInsO 2020, 293, Rz. 21, 23.
18
18)
BGH ZVI 2008, 116 = ZIP 2008, 566.
19
19)
Zur Frage der Fristeinhaltung zum Prüfungstermin AG Düsseldorf ZInsO 2010, 1707.
20
20)
BGH ZVI 2008, 116 = ZIP 2008, 566=ZInsO 2008, 325.
21
21)
Zu solchen: AG Köln ZInsO 2021, 394.
22
22)
ZInsO 2014, 1055.
23
23)
So schon Pape, ZInsO 2016, 2005, 2017, 2020.
24
24)
Willmer/H.-J.Berner, NZI 2015, 877 m. w. N.
25
25)
Dazu OLG Köln ZVI 2019, 345 = ZInsO 2019, 961.
26
26)
Zur Problematik BGH v. 11. 4. 2019 – IX ZR 79/18, ZVI 2019, 223 = ZInsO 2019, 1105, m. w. N. in Rz. 17, 42; Willmer/Berner, NZI 2019, 540.
27
27)
S. z. B. den Fall der der Entscheidung BGH ZInsO 2015, 1398, zugrunde lag.
28
28)
BGH, Beschl. v. 1. 7. 2010 – IX ZB 84/09, ZVI 2010, 356 = ZInsO 2010, 1498 – 1499 = NZI 2010, 781.
29
29)
BGH ZVI 2019, 468 = ZInsO 2019, 2382, Rz. 27, 29.
30
30)
AG Norderstedt, Beschl. v. 29. 4. 2019 – 66 IN 139/13, ZInsO 2019, 1688 = BeckRS 2019, 13461.
31
31)
Dies nunmehr ausdrücklich billigend BGH ZVI 2021, 186 = ZInsO 2021, 784 = BeckRS 2020, 43694, Rz. 16, 19 wegen der Rangwahrung; zust. Bast/Becker, NZI 2021, 481, 483.
32
32)
Vgl. z. B. Lissner, ZVI 2017, 222, 224.

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