Stellt heute die Verschuldung und Überschuldung privater Haushalte ein gravierendes Problem der westlichen Industriegesellschaften dar, so handelt es sich dabei durchaus um ein historisches Phänomen von langer Dauer. Sowohl für das Mittelalter als auch für die Neuzeit ist von einer Omnipräsenz von Schuldbeziehungen auszugehen. Obwohl das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein von Geld und Waren, Kreditfähigkeit und Kreditwürdigkeit die Menschen im 19. Jahrhundert existenziell betraf, hat die deutsche Geschichtswissenschaft dafür bisher kaum Interesse gezeigt. Wenn man sich mit Fragen des Finanzwesens beschäftigte, dann konzentrierten sich Historiker auf Institute. So gibt es teilweise hervorragende Studien zu einzelnen illustren Bankhäusern, zu regionalen Sparkassensystemen oder zur Genossenschaftsidee, doch gehen derartige Arbeiten nicht der Frage nach, wie man im 19. Jahrhundert einen Kredit bekommen konnte und ohnehin gab es etwa im Rheinland nur in großen Handelsstädten Banken. Der folgende Beitrag behandelt das Phänomen der privat organisierten Kreditwirtschaft und präsentiert erste Ergebnisse eines Projektes zur „Kreditvergabe im 19. Jahrhundert: Geldleihe in privaten Netzwerken“. Förderung erfährt das Vorhaben ihm Rahmen des rheinlandpfälzischen Excellenzclusters (vgl. die Vorstellung des Vorhabens in
ZVI 2007, 515), in welchem die Schuldenproblematik interdisziplinär aus historischer, soziologischer, juristischer, kriminologischer, und pädagogischer Sicht erforscht wird.