Unterstellen wir zwei Fallkonstellationen, wie sie für den Bereich der Verbraucherinsolvenz typisch sind. Im ersten Fall ist eine Alleinerziehende mit einem schulpflichtigen Kind zahlungsunfähig. Sie hat offene Kreditverbindlichkeiten über 75 000 € aus der Zeit der Selbstständigkeit ihres Ehegatten, von dem sie mittlerweile geschieden ist. Sie geht einer Halbtagsbeschäftigung nach und hat kein pfändbares Einkommen und Vermögen. Im zweiten Fall ist ein 39-jähriger Single insolvent. Seine Verbindlichkeiten – 30 000 € – resultieren aus – teilweise umgeschuldeten – Ratenkrediten, Leasingverträgen und Versandhandelskäufen. Der Wert seines pfändbaren Vermögens beläuft sich auf etwa 3 500 €. Da er vor vier Monaten arbeitslos geworden ist, ist er momentan in Höhe von 24,40 € monatlich pfändbar.
Nach den gegenwärtigen Überlegungen des Bundesjustizministeriums und der Landesjustizministerien sollen beide Fälle entschuldungstechnisch nicht mehr gleichbehandelt werden. Zugang zum Neunten Teil der InsO („Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige Kleinverfahren“) soll nur noch der 39-jährige Single haben. Für die Alleinerziehende soll der Weg in ein neues „treuhänderloses Entschuldungsverfahren“ verbleiben. Dieses soll statt sechs Jahre acht Jahre währen. In dieser Zeit soll kein Zwangsvollstreckungsverbot gelten. Nach Ablauf der acht Jahre wäre sie, soweit sie keine Obliegenheiten verletzt hat, von den offenen Restforderungen „entschuldet“ – mit der Einschränkung, dass die Entschuldungswirkung nur für solche Forderungen gilt, die im „Entschuldungsantrag“ aufgenommen sind.
Ist dies der von vielen Seiten geforderte „rechtspraktische“ Weg, um Null-Masse-Fälle rechtssicher, verfahrensökonomisch, kostenbewusst und interessengerecht abzuwickeln?
Der nachfolgende Beitrag geht dieser Frage nach und stellt dabei den Überlegungen der Justizministerien die in den letzten Monaten entwickelten Gegenmodelle gegenüber. Konzepte anderer Länder für den Umgang mit masselosen Schuldnern werden ebenfalls einbezogen.