RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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1619-3741
Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz
ZVI
2025
EditorialFrank Lackmann
Wichtige Gesetzesvorhaben aus Sicht der Schuldnerberatung
Die neue Bundesregierung ist bei Erscheinen dieser Ausgabe seit etwas mehr als einem Monat im Amt. Es ist sicherlich davon auszugehen, dass Reformvorhaben im Bereich des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts nicht die oberste Priorität haben dürften, allerdings ist insbesondere bzgl. der EU-Verbraucherkreditrichtlinie eine baldige Aktivität des Bundesjustizministeriums zu erwarten, da diese bis zum 20. 11. 2025 umgesetzt sein muss (mit Inkrafttreten zum 20. 11. 2026). Da mit der neuen Bundesregierung das Verbraucherschutzministerium wieder in das BMJ (jetzt BMJV) gewandert ist, ist auch mit einem einheitlichen Gesetzentwurf des BMJV zu rechnen. Während der Amtszeit der Ampel-Regierung war noch mit zwei Entwürfen (ein Entwurf aus dem Justizministerium und ein Entwurf aus dem Verbraucherschutzministerium) zu rechnen, da einzelne Teile der Verbraucherkreditrichtlinie unterschiedliche Zuständigkeiten ausgelöst haben. Die Verbraucherkreditrichtlinie muss (eigentlich) bis zum 20.November 2025 umgesetzt sein mit einem Inkrafttreten zum 20.November 2026. Dieser Zeitplan ist durch die Neuwahlen und Bildung einer neuen Bundesregierung sehr ambitioniert und kaum einzuhalten, was auf Seiten der neuen Regierung aber kaum zu Stressreaktionen führen dürfte. In der ZVI ist bereits ausführlich über die Verbraucherkreditrichtlinie berichtet worden (siehe u. a. Rein, ZVI 2024, 326; Hofmeister, ZVI 2024, 405). Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) wird ihre zentralen Forderungen mit Blick auf die Schuldnerberatung alsbald noch an das BMJV kommunizieren. Folgende wichtigen Punkte gilt es aus Sicht der Verbände der Schuldnerberatung zu beachten:
Nach Art. 36 der Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Verbraucher, die Schwierigkeiten bei der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aufweisen bzw. aufweisen könnten, Zugang zu unabhängigen Schuldnerberatungsdiensten haben. Es ist in diesem Zusammenhang zu begrüßen, dass sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag ausdrücklich für eine Förderung einer kostenlosen Schuldnerberatung, die niemanden ausschließt, ausgesprochen haben.
Aus Sicht der Schuldnerberatung ist es dringend erforderlich, dass alle Menschen einen kostenfreien Zugang zur Schuldnerberatung erhalten. Dies sollte daher auch in einem eigenständigen Gesetz verankert werden (vgl. https://www.agsbv.de/2024/05/rechtsgutachten-zur-umsetzung-der-verbraucherkreditrichtlinie-eu-recht-verlangt-rechtanspruch-auf-kostenfreie-schuldnerberatung/).
Notwendig wäre hierbei zudem, dass die Beratungsinfrastruktur konsequent ausgebaut wird, wodurch die durch die EU-Richtlinie geforderte leichte und flächendeckende Zugänglichkeit zur Schuldnerberatung gewährleistet würde. Gerade in vergangenen Krisenzeiten (Finanzkrise 2008/2009, Coronapandemie, Flutkatastrophen) wurde deutlich, dass Schuldnerberatung ein bedeutender Grunddienst der Daseinsfürsorge ist. Es ist daher dringend erforderlich, dass es keinen Ausschluss von Personenkreisen (Arbeitnehmende, Rentner, Studierende und Klein(st)selbständige) aus der Beratung mehr geben darf. Dafür ist ein flächendeckender Zugang notwendig.
Die Schuldnerberatungsverbände (AG SBV) regen daher auch an, gemeinsam mit der Kreditwirtschaft Modellprojekte der Zusammenarbeit vor Ort zu entwickeln, um einen frühzeitigen Zugang zu den Schuldnerberatungsstellen zu ermöglichen.
ZVI 2025, 202
Aber auch ein weiteres, in diesem Fall der Diskontinuität zum Opfer gefallenes Gesetz, könnte alsbald wieder auf der Bildfläche erscheinen, und zwar der Entwurf zur Zuständigkeitskonzentration der zivilrechtlichen Mobiliarvollstreckung bei Gerichtsvollziehern und die Zuständigkeitserweiterungen für Rechtspfleger. Der Deutsche Gerichtsvollzieherbund hat auf der Jahresfachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG SB e. V.) am 6. 5. 2025 bereits angekündigt, hier wieder aktiv werden zu wollen (siehe auch https://dgvb.de/dgvb-hessen-wir-bleiben-dran-bundesvorsitzender-begeistert-auf-jahreshauptversammlung/). Sollte der Gesetzentwurf von der neuen Bundesregierung umgesetzt werden, hätte dies bedeutsame Auswirkungen auf die Schuldnerberatung, schuldnerberatende Rechtsanwälte und alle am (Gesamt-)Vollstreckungsverfahren beteiligten Personen.
Hier hatte sich die AG SBV bereits im vergangenen Jahr positioniert und den Entwurf zur Zuständigkeitskonzentration der zivilrechtlichen Mobiliarvollstreckung bei Gerichtsvollziehern und die Zuständigkeitserweiterungen für Rechtspfleger abgelehnt. Die Hauptkritikpunkte sind:
1. Gefährdung des Schuldnerschutzes: Die geplanten Änderungen könnten das Schutzniveau für Schuldner erheblich senken. Besonders gefährdet ist das Existenzminimum von Familien sowie zweckgebundene Sozial- und Pflegeleistungen.
2. Unnötige Parallelstruktur: Der Entwurf schafft eine weitere Justizstruktur, die mit hohem zeitlichen, organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden ist, ohne dass eine klare Notwendigkeit besteht.
3. Unzureichende Ausbildung und Vergütung: Gerichtsvollzieher müssten umfangreich nachgeschult werden, insbesondere in komplexen Rechtsgebieten wie Sozial-, Unterhalts- und Familienrecht. Die Kosten für Ausbildung und höhere Besoldung werden im Entwurf stark unterschätzt.
4. Interessenskonflikte: Gerichtsvollzieher sollen sowohl Vollstreckungsmaßnahmen im Auftrag von Gläubigern durchführen als auch Schuldnerschutzanträge bearbeiten. Diese Doppelrolle birgt Konflikte und könnte den Schuldnerschutz beeinträchtigen.
5. Organisatorische Herausforderungen: Gerichtsvollzieher müssten ihre Bürostruktur grundlegend ändern, um für Schuldnerschutzanträge jederzeit erreichbar zu sein. Dies erfordert frei zugängliche Geschäftsstellen und eine verlässliche Vertretungsregelung.
6. Rechtsunsicherheit: Die geplante Abschaffung der Rechtskraft von Entscheidungen führt zu Unsicherheiten und einer möglichen Überlastung durch wiederholte Anträge.
7. Digitalisierung und Zugang zum Recht: Die zunehmende Digitalisierung der Zwangsvollstreckung könnte den Zugang zum Recht für weniger technikaffine Personen erschweren. Der Entwurf berücksichtigt diese Problematik nicht ausreichend.
8. Rollenvermischung und Gewaltenteilung: Die geplante Doppelrolle der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan und Entscheidungsträger im Schuldnerschutz ist für Schuldner schwer nachvollziehbar und tangiert den Grundsatz der Gewaltenteilung.
Die AG SBV fordert daher, die Zuständigkeit für Schuldnerschutzanträge weiterhin bei den Vollstreckungsgerichten zu belassen und die personellen Ressourcen dort zu stärken, anstatt eine neue Struktur aufzubauen (die Stellungnahme der AG SBV kann eingesehen werden unter https://www.agsbv.de/2024/11/stellungnahme-der-ag-sbv-zum-referentenentwurf-eines-gesetzes-zur-zustaendigkeitskonzentration/).
Es bleibt abzuwarten, ob auch eine weitergehende Reform des Insolvenzrechts während der nächsten Legislaturperiode eine Rolle spielen wird. Sinnvolle Vorschläge für eine Reform des Privatinsolvenzverfahrens liegen vor. Insoweit seien nochmals die Vorschläge der Arbeitsgruppe Reform der Verbraucherinsolvenz hervorgehoben (siehe zuletzt ZVI 2025, 32). Eine Umsetzung dieser Vorschläge wäre äußerst sinnvoll. Baustellen im Bereich der InsO gibt es folglich noch einige…
Rechtsanwalt Frank Lackmann, Haltern am See