RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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1619-3741
Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz
ZVI
2025
EditorialKai Henning
Neues zu den Verfahren der natürlichen Personen vom 22. Deutschen Insolvenzrechtstag
Über 1.000 Teilnehmer/innen sind vom 2. bis zum 4. April in Berlin zusammengekommen, um insolvenzrechtliche Fragen zu diskutieren, Standpunkte auszutauschen und Neuigkeiten mitzuteilen oder zu erfahren. Auch die Verfahren der natürlichen Personen mit Restschuldbefreiung, die aktuell wieder Richtung 100.000 p. a. ansteigen, spielten hierbei eine wichtige Rolle. Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (AGIS) hat zu dem Thema auch in diesem Jahr 16 Schuldnerberater/innen aus sozialen Beratungsstellen zur kostenfreien Teilnahme eingeladen, die intensiv mitdiskutierten.
Traditionell trafen sich am Mittwochnachmittag vor Beginn des Insolvenzrechtstags die beteiligten Verbände von Gläubiger- und Schuldnerberatungsseite, der in der Justiz Beteiligten und der Insolvenzverwaltung zu einem internen und vertraulichen Austausch. In diesem Jahr nahmen zum ersten Mal Vertreter der Schufa an diesem Treffen teil, was allgemein sehr positiv aufgenommen wurde.
Der Schwerpunkt der Erörterung der Fragen zu den Verfahren der natürlichen Personen lag im Workshop II am Donnerstagnachmittag. 135 Teilnehmer/innen trafen sich, um das Thema „Neues Gläubigerinformationssystem und Datenschutz in Verfahren natürlicher Personen – Berichtsinhalte, Auskünfte an Gläubiger, Aufsuchen der Schuldnerwohnung“ zu diskutieren. Verschiedene Referenten führten zu den Schwerpunkten GIS, Datenschutz und Praxis der Insolvenzgerichte in das Thema ein. Die Schuldnerberatung war durch eine Podiumsteilnehmerin vertreten.
Um es vorwegzunehmen: Es erstaunt schon, wie viele Fragen zum am 17. 7. 2024 in der jetzigen Form in Kraft getretenen Gläubigerinformationssystem des § 5 Abs. 5 InsO gerade in den Verfahren der natürlichen Personen noch offen sind. Die durch die Regelung erhoffte Entlastung der Justiz durch eine Reduzierung der Akteneinsichtsanträge dürfte daher so schnell nicht zu erreichen sein. So bestand kein Zweifel daran, dass die DSGVO mit allen daraus folgenden Konsequenzen auf das GIS voll anwendbar ist. Die Diskussion erreichte mit der Mitteilung eines Teilnehmers, wegen Aufrechterhaltens des GIS in der Restschuldbefreiungszeit vom zuständigen Datenschutzbeauftragten abgemahnt worden zu ein, schnell einen ersten Höhepunkt. § 5 Abs. 5 InsO spreche vom Insolvenzverwalter, nicht vom Treuhänder. Folglich sei das GIS mit Aufhebung des Verfahrens abzuschalten, so die Behörde. Diese Ansicht wird auch in der Kommentarliteratur vertreten (vgl. K. Schmidt/Stephan, InsO, 20. Aufl., § 5 Rz. 35), gleichwohl reagierte die Mehrzahl der Teilnehmer/innen überrascht. Da die Aufsicht der Insolvenzgerichte aus § 58 InsO über eine ordnungsgemäße Ausführung des GIS ausdrücklich in § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO aufgenommen wurde, wird diese Aufsicht durch entsprechende Kontrollen auch stattfinden müssen. Die hierfür erforderliche Zeit ist schon einmal vom Zeitgewinn durch wegfallende Akteneinsichtsanträge abzuziehen.
Die Frage, was in das GIS und vor allen Dingen in welcher Fassung einzustellen ist, rief ebenfalls intensive Diskussionen hervor. Während ein vor Eröffnung erstelltes Eröffnungsgutachten nach dem Wortlaut der Regelung eindeutig nicht einzustellen ist, ist die Situation bei ergangenen Vergütungsbeschlüssen, die naturgemäß die Gläubiger ZVI 2025, 162besonders interessieren, sehr viel weniger eindeutig. Sind sie vollständig und ungeschwärzt, nach den Vorgaben des BGH (Beschl. v. 14. 12. 2017 – IX ZB 65/16, ZVI 2018, 121 (m. Bespr. Reck, S. 87)) oder in noch anderer Form einzustellen? Aus Schuldnersicht können insbesondere persönliche Daten von Angehörigen nicht ungeschwärzt eingestellt werden, die z. B. bei Anträge nach § 850f Abs. 1 ZPO oder § 850c Abs. 6 ZPO Akteninhalt werden und häufig Angaben zu Krankheiten, Arbeitslosigkeit oder anderen besonderen Belastungen enthalten. Nach den diesbezüglichen Erläuterungen des Referenten zur Datenschutzproblematik nahmen fast 2/3 der Teilnehmer/innen an, bestimmte Daten schwärzen zu müssen.
Eine Einsichtsmöglichkeit für die betroffenen Schuldner sieht das GIS nicht vor, wie die Schuldnerberatung kritisierte. Ob aus dem allgemeinen Einsichtsrecht des Schuldners in die Gerichtsakte auch das Recht der Einsicht in das GIS folgt, erschien zweifelhaft, da das vom Insolvenzverwalter geführte GIS kein Bestandteil der Gerichtsakte ist. Die Schuldnerberatung stellte daher fest, dass die Kosten des GIS, die bislang als allgemeine Verwaltungskosten vom Insolvenzverwalter übernommen werden, kaum den Schuldnern als denjenigen auferlegt werden könne, die vom GIS keinerlei Vorteil hätten.
Es erstaunte daher nicht, dass sich die überwiegende Mehrheit der Workshopteilnehmer/innen zum Abschluss dieses Themas dafür aussprach, das GIS in der jetzigen Form in der Verbraucherinsolvenz nicht beizubehalten.
Weiterer Diskussionspunkt im Workshop II war die Frage der Notwendigkeit und auch der Zulässigkeit des Aufsuchens der schuldnerischen Wohnung durch den Insolvenzverwalter zu Beginn des Verfahrens. Etwas weniger als die Hälfte der Workshopteilnehmer/innen gaben hierzu an, dass „ihre“ Insolvenzgerichte diese Besuche gutheißen oder sogar erwarten. Als Rechtsgrundlagen für einen Besuch und die mit ihm zusammenhängende Kontrolle wurden die Amtsermittlung nach § 5 Abs. 1 InsO, § 80 Abs. 1 InsO oder § 148 Abs. 1 InsO genannt. Dem entgegengehalten wurden die umfassenden Auskünfte des Schuldners im amtlichen Formular, deren Richtigkeit er im Bewusstsein der Strafbarkeit falscher Angaben bestätigen muss. Auch hat der BGH in der Verbraucherinsolvenz eine Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch § 305 Abs. 3 InsO festgestellt (BGH v. 24. 2. 2022 – IX ZB 5/21, ZVI 2022, 189) oder Ermittlungen ohne Anlass „ins Blaue hinein“, was ein allgemeiner Kontrollbesuch wäre, für nicht angebracht gehalten (BGH v. 1. 12. 2011 – IX ZB 232/10, NZI 2012, 151).
Der 22. Deutsche Insolvenzrechtstag endete am 9.4.25 mit Onlinevorträgen u. a. zur aktuellen Rechtsprechung in den Insolvenzverfahren der natürlichen Personen. Die Referentin berichtete von einer interessanten Auseinandersetzung in der aktuellen Rechtsprechung zur Frage, ob auch in einem Verfahren, in dem keine Restschuldbefreiung beantragt wurde, eine Forderung als Forderung aus unerlaubter Handlung angemeldet werden kann, die nicht von der Restschuldbefreiung erfasst wird. Die zustimmenden Entscheidungen (AG Lüneburg v. 14.12.24 – 56 IN 23/24, ZVI 2025, 71 und AG Ludwigshafen v. 12. 12. 2023 – 3e IN 161/22) geben dem Gläubiger auf einfachem Weg einen vorsatzdeliktischen Titel, mit dem auch in den Vorrechtsbereich des § 850f Abs. 2 ZPO vollstreckt werden kann (vgl. BGH v. 4. 9. 2019 – VII ZB 91/17, ZVI 2019, 415), während die ablehnenden Entsch. dies gerade für nicht angebracht halten (AG München v. 23. 1. 2025 – 1507 IN 3109/21, ZVI 2025, 189 (in diesem Heft); AG Düsseldorf v. 10. 12. 2024 – 504 IN 120/18 und AG Köln v. 16. 6. 2020 – 73 IN 298/17, ZVI 2020, 270).
Nach diesen interessanten Vorträgen, Diskussionen und Besprechungen freue ich mich bereits auf den 23. Deutschen Insolvenzrechtstag vom 18. bis 20. März 2026 in Berlin.
Rechtsanwalt Kai Henning, Dortmund