ZVI 2023, 189

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz ZVI 2023 EditorialHans-Ulrich Heyer

Die SCHUFA will Verbraucherinnen und Verbrauchern nach einer Restschuldbefreiung einen schnelleren wirtschaftlichen Neustart ermöglichen

Mancher mag sich ob der Presseerklärung der SCHUFA Holding AG (kurz SCHUFA) vom 28. 3. 3023 ein wenig die Augen reiben. Die SCHUFA will die Speicherdauer der Restschuldbefreiung auf sechs Monate verkürzen und damit „Klarheit und Sicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen. Wir ermöglichen so den Restschuldbefreiten einen schnellen wirtschaftlichen Neustart“ heißt es in der Erklärung.
Soll der jahrelange Weg durch viele Instanzen, auf dem immer wieder die Notwendigkeit der längerfristigen Speicherung von Insolvenzdaten argumentiert wurde, für den Gutachten beauftragt wurden, der durch vereinbarte Verhaltensregelungen mit Datenschutzbehörden untermauert wurde und dem auch viele Obergerichte gefolgt sind, damit beendet sein? Man muss abwarten. Die SCHUFA ist nicht die einzige Wirtschaftsauskunftei, die Insolvenzdaten verarbeitet. Ob andere Auskunfteien dem Beispiel der SCHUFA folgen werden, ist ebenfalls noch nicht klar.
Hintergrund der Ankündigung ist ein vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) anhängiges Vorabentscheidungsverfahren, das durch das Verwaltungsgericht Wiesbaden initiiert wurde. Betroffene, denen eine Restschuldbefreiung erteilt worden war, verlangten zunächst von der SCHUFA eine Löschung ihrer Daten, nachdem diese im Insolvenzportal ebenfalls gelöscht worden waren. Die SCHUFA lehnte das ab. Der dagegen angerufene hessische Landesdatenschutzbeauftragte sah ebenfalls keinen Grund dagegen einzuschreiten, weil auch er eine längerfristige Speicherung für zulässig hielt. Die Betroffenen erhoben gegen den dementsprechenden Bescheid Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden. Das Verwaltungsgericht hatte Zweifel an der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der längerfristigen Speicherung und sprach von einer „Parallelhaltung“ von Daten in privaten und öffentlichen Registern, die mit der DSGVO in Konflikt stehen könnte. Private Auskunfteien könnten auch gar nicht wissen, ob und wann Bonitätsanfragen zu den betroffenen Schuldnern gestellt würden, insoweit handele es sich um eine Art „Vorratsdatenspeicherung“. Das Verwaltungsgericht legte deshalb dem EuGH u. a. die Frage vor, ob eine Datenspeicherung bei einer privaten Wirtschaftsauskunftei, bei der personenbezogene Daten aus einem öffentlichen Register ohne konkreten Anlass gespeichert werden, mit der Grundrechtecharta der Europäischen Union und mit der DSGVO vereinbar sei.
Die Entscheidung des EuGH steht noch aus. Mittlerweile liegen aber die Schlussanträge des Generalanwalts Pikamäe (ZVI 2023, 197, in diesem Heft) vor. Ob der EuGH diesen Anträgen folgen wird, bleibt abzuwarten. Die SCHUFA hat aber bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung der Schlussanträge mit der dargestellten Pressemitteilung reagiert. Das mediale Interesse an dieser Erklärung war groß und der Schritt ist nach den jahrelangen Diskussionen um die Speicherfristen auch bedeutsam. Er entspricht aber dem Duktus der Schlussanträge des Generalanwalts.
Der Generalanwalt prüft die Zulässigkeit der Speicherdauer streng an den Voraussetzungen der DSGVO. Diese regelt die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Datensparsamkeit. Bei der Verarbeitung von Daten seien immer ZVI 2023, 190die betroffenen Interessen und Grundfreiheiten der betroffenen Personen abzuwägen. In diesem Rahmen seien Auskunfteien zwar berechtigt, Daten aus dem Insolvenzportal zu erheben und zu verarbeiten, aber nur, solange diese Daten auch öffentlich zugänglich seien. Wenn sie von den Insolvenzgerichten nach Beendigung des Verfahrens, d. h. nach Erteilung der Restschuldbefreiung, mit der sechsmonatigen Frist nach § 3 InsBekV im Insolvenzportal gelöscht werden, überwiegen die Rechte der Betroffenen an einer Löschung auch in privaten Auskunfteien. Anderenfalls würden die Ziele der Restschuldbefreiung unverhältnismäßig behindert, wenn Insolvenzereignisse, die mit der Restschuldbefreiung gerade überwunden sind, weiter für Bonitätsbewertungen herangezogen würden. „Er frage sich ernsthaft“, so der Generalanwalt, wie vor diesem Hintergrund eine Speicherung von Insolvenzdaten für drei Jahre nach Verfahrensbeendigung gerechtfertigt werden solle. Die SCHUFA habe es jedenfalls nicht vermocht, eine entsprechende Relevanz erledigter Insolvenzereignisse auch für zukünftige Bonitätsbewertungen darzulegen. Genau darauf haben Schuldnerberaterinnen und Schuldnerberater und diejenigen, die die langen Speicherfristen für unzulässig halten, schon immer hingewiesen. Dagegen ist in der Rechtsprechung immer wieder darauf abgehoben worden, dass auch ein restschuldbefreiter Schuldner nicht verlangen könne, einer Person gleichgestellt zu werden, die niemals von einer Insolvenz betroffen war. Für potentielle Geschäftspartner sei es im Rahmen der Bonitätsprüfung wichtig zu erfahren, ob bei einem Schuldner die Gefahr bestehe, wieder insolvent zu werden. Und für die Einschätzung dieser Gefahr solle die Erteilung der Restschuldbefreiung ein nicht unerhebliches Indiz sein. Ob die Rechtsprechung diese Argumentation auch jemandem vorhalten würde, der plötzlich durch die Corona-Pandemie sein Geschäft schließen musste und dadurch in finanzielle Probleme geraten ist oder jemandem, der durch die aktuelle Energiepreisentwicklung in Schwierigkeiten geraten ist, die niemand vorhergesehen hat, wäre interessant.
Die SCHUFA scheint diese Argumentation jedenfalls nicht weiter verfolgen zu wollen. Sie will Insolvenzdaten jetzt zeitnah löschen. Sie hat in der Pressemitteilung zwar eine stichtagsbezogene Löschung für „alle Einträge zu einer Restschuldbefreiung, die zum Stichtag 28. 3. 2023 länger als sechs Monate gespeichert sind“ angekündigt, eine Stichtagslöschung dürfte jedoch schwierig sein. Sachgerecht dürfte es sein, die Speicherungen in den privaten Wirtschaftsdatenbanken analog den Einträgen im Insolvenzportal auszugestalten. Dort sind Veröffentlichungen zur Restschuldbefreiung während der Laufzeit des Verfahrens verfügbar. Nach § 3 Abs. 2 InsBekV werden sie nach Beendigung des Verfahrens, d. h. nach der Erteilung der Restschuldbefreiung, nach sechs Monaten gelöscht. Die Löschungsfrist beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung.
(Hon.) Prof. Dr. Hans-Ulrich Heyer, RiAG a. D., Oldenburg (Oldb.)

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell