ZVI 2025, 159

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz ZVI 2025 Report 

Praxisberichtshinweise des BAKinso e. V. anlässlich des Termins im BMJV am 24. 2. 2025 („Digitalisierung des Insolvenzverfahrens“)

Generell bereiten die vier unterschiedlichen insolvenzrechtlichen Fachsysteme mit ihrer (Nicht-)Kombinationsmöglichkeit mit den bis zu drei E-Aktensystemen große Probleme. Die E-Aktensysteme sind vom ZPO-Verfahren her „gedacht“ und berücksichtigen die Vielzahl von insolvenzrechtlichen Verfahrensbeteiligten nicht.
Eine Harmonisierung der derzeitigen unterschiedlichen föderal genutzten insolvenzgerichtlichen Fachsysteme untereinander und mit den E-Aktensystemen erscheint für eine weitere erfolgreiche Digitalisierung des Insolvenzverfahrens unabdingbar. Insgesamt erachtet BAKinso e. V. ein rasches koordinierendes Eingreifen des Bundesgesetzgebers zur Beförderung der Digitalisierung des Insolvenzverfahrens als unabdingbar.

I. Mangelnde Umsetzung § 98 Abs. 1a InsO i. V. m. § 802 l ZPO (Ermittlungsdatenabfrage direkt durch Insolvenzgerichte)

In Kraft getreten am 1. 11. 2022. In vielen Insolvenzgerichten bisher ungenügend umgesetzt. Direkte gerichtliche Registerdatenabfragen nicht oder nur teilweise möglich (z. T. erfolgen Abfragen nur beim Bundeszentralamt für Steuern online, i. Ü. schriftlich). Daher teilweise immer noch Anforderung der Abfrage bei Gerichtsvollziehern nötig (also gesetzwidrig).
Beispiel Hamburg: Abfrage für Bundeszentralamt für Steuern und Kraftfahrt-Bundesamt ist erst seit 29. 1. 2025 möglich. Eine DRV-Abfragemöglichkeit fehlt noch immer. Angebliche Implementierung in 2 Monaten ab Anfang März 2025.
Ein direkte Abfragemöglichkeit bereits für Insolvenzsachverständige zu schaffen ohne gerichtliche „Genehmigung“ der Abfrage erscheint unter DSGVO-Gesichtspunkten problematisch.

II. Keine digitalisierte Übertragung der IK-Anträge bearbeitet durch die örtlichen Schuldnerberatungsstellen

Digital-Übernahme der Angaben aus den Antragsformularen gem. VbrInsFV in die jeweiligen gerichtlichen Fachsysteme. Bisher nicht möglich! Die Schuldnerberatungsstellen sollten im Rahmen einer Änderung von § 305 InsO verpflichtet werden, die Antragsformulare digital XML-basiert einzureichen.

III. Tabellenführung „in Papier“ trotz Einführung der E-Akte

Generell scheint die Übernahme einer beim Insolvenzverwalter elektronisch geführten Tabelle (§ 174 Abs. 4 InsO) in die jeweiligen gerichtlichen Fachsysteme massive Probleme zu bereiten. Eine „reibungsfreie“ Übernahme digitaler Anmeldungen wird eigentlich nicht berichtet. Bereits bestehende Landesverordnungen (§ 5 Abs. 4 InsO) sind nicht harmonisiert.
Bei den Gerichten ist die Signierung der Forderungsprüfung – Stapelsignatur – ein Problem. Die Schlussrechnung wird derzeit, wenn digital eingereicht, noch mit Belegen in Papierform kombiniert.
Einige Beispiele nach Mitteilungen unserer Mitglieder:
Baden-Württemberg
Sachstand der Digitalisierung beim Insolvenzgericht in Baden-Württemberg.
  • eAkte eingeführt, für Anträge ab August 2020, keine nachträgliche Digitalisierung von Altverfahren
  • elektronische Tabelle ist nicht vorhanden. Auch zur eAkte wird die Tabelle papierhaft geführt, Medienbruch
  • ZVI 2025, 160
  • Kontoauszüge und Belege werden auch zu eAkte in Papier eingereicht, Medienbruch
  • zu Altakten kommen Schriftsätze per beA und werden ausgedruckt, Belege papierhaft, Medienbruch.
Bayern
ForumSTAR-InsO lässt eine Tabellenführung beim Insolvenzgericht mit Anmeldungen über 300 (800 ?) Gläubigern nicht zu. Die Tabelle wird weiterhin dann auf Dauer in Papier geführt.
Thüringen
In Thüringen wird in der eAkte mit VIS gearbeitet.
  • Grundsätzlich lief die Einführung der eAkte problemlos.
  • Tabellenführung weiterhin in Papier
  • Elektronische Übersendung der Anmeldeunterlagen problematisch. Die eAkte wird langsamer, wenn die Unterlagen in der eAkte abgelegt werden.
NRW
Problematisch bleibt die Tabellenführung in Judica-InsO.
Eintragung nicht mehr „festgestellt vom Verwalter“. Im „Beurkundungsteil“ der Software sind Feststellungsbescheide oder Feststellungsurteile immer noch als Erklärung des Verwalters zu dessen nachträglicher Feststellung einzugeben.
Was bis heute nicht geht, ist die Übermittlung von „Massenberichtigungen“ per entsprechender einlesbarer Datei und eine entsprechende Pauschalbeurkundung.
Erteilung von Tabellenauszügen aufwendig, da eben nicht einfach auf die Datenbank als Tabelle gesetzt wird, sondern immer (!) Tabellenauszüge gesondert zu erzeugen und gesondert zu signieren sind. Bei nachträglichen Berichtigungen müssen wieder – ergänzende – Tabellenauszüge erzeugt und signiert werden, was in größeren Verfahren einen unnützen Arbeitsaufwand verursacht.
Hier hat einfach „die Vision“ gefehlt, dass die Tabelle eine reine Datenbank ist, und wenn ein „Auszug“ zu erteilen sein sollte, dies eine bloße Ausgabe des Datensatzes ist.

IV. Bestellungsurkunde (§ 56 Abs. 2 InsO i. V. m. § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO)

Bestellungsurkunde wird immer papierhaft erteilt. Notwendig daher:
  • gesetzliche Regelung bzw. Klarstellung zur rein digitalen Erteilung (und Verhinderung von digitalen Kopien)
  • Schaffung einer Öffnungsklausel zum Verzicht auf eine Bestellungsurkunde, insbesondere in IK-Verfahren und bei ehemals Selbstständigen wird diese häufig wohl nicht benötigt. Zugleich Regelung, dass diese dann erst auf formloses Verlangen des Verwalters zu erteilen ist.

V. Dokumentenbezeichnung bei Veraktung im E-Akten-System unharmonisiert

Großer Mehraufwand im Servicebereich durch die aufwendige Dokumentenbezeichnung
  • Nur z. T. können Dokumentenbezeichnungen vom Verwalter übernommen werden
  • Problem: zu viele Dokumente werden in einem PDF-Dokument zusammengefasst
  • Oftmals Performanceprobleme der Software-Systeme; dadurch verzögerte Abarbeitung durch die Gerichte

VI. Gläubigerinformationssystem – unzureichend geregelt

Die gesetzliche Regelung und Begründung wird flächendeckend als sehr unbefriedigend empfunden. Es ist nicht eindeutig klar, wer, wann Zugang erhalten soll (z. B. nicht geprüfte Insolvenzgläubiger streitig) und was genau einzustellen ist, teilweise sind notwendige Bestandteile, die viele Akteneinsichtsgesuche auslösen, z. B. die Gutachten, nicht einzustellen, dies sollte erweiternd geändert werden.
Das Verhältnis zwischen DSGVO und „ohnehin möglicher“ Akteneinsicht ist ungeregelt und führt teilweise zu „abstrusen“ Vorsichtsmaßnahmen von Verwalter*innen mit teilweise abgewandelten, „reduzierten“ eingestellten Dokumenten im Vergleich zu denjenigen, die an das Gericht entäußert werden (s. den Bericht von Woltersdorf, INDAT-Report 9/2024, 28, 30).Die Praxis unterschiedlicher verwalterseitiger Dokumenten einerseits für das „GIS“ andererseits für die Gerichtsakte erscheint weder rechtmäßig noch notwendig, zumal Gläubiger über Akteneinsicht (§ 299 Abs. 1 ZPO (§ 4 InsO)) alle aktenbasierten Informationen erlangen können.
Gerichtsseitige Stichproben, z. B. in Hamburg, haben bisher eine hohe Fehlerquote nicht oder nicht richtig eingestellter Dokumente oder auch nicht richtig mitgeteilter Passwörter ergeben.
Sobald das bundesweite elektronische Akteneinsichtsportal funktioniert wird mit einer Flut von Akteneinsichtsgesuchen institutioneller Gläubiger gerechnet, die dann Akteneinsicht virtuell und nicht mehr (nur) auf den insolvenzgerichtlichen Geschäftsstellen nehmen können und wollen. Dazu muss jeweils von der Geschäftsstelle für den einzelnen Akteneinsicht nehmenden Gläubiger die jeweilige Akte oder das betreffende Dokument jeweils neu hochgeladen werden. „Gruppenzugangsberechtigungen“ gibt es nicht. Die Suboptimalität des „GIS“ wird dann bei Eröffnung des Einsichtsportals die möglichen digitalen Akteneinsichtsgesuche befördern.

VII. Insolvenzbekanntmachungen.de veraltet

Der BGH hat bereits mehrfach die eingeschränkte Suchfunktion kritisiert (BGH v. 10. 10. 2013, ZVI 2014, 32 (m. Anm. Hafemeister, S. 37) = ZInsO 2014, 88). Z. B. ist eine Schuldner*innen-Suche nicht gerichtsübergreifend möglich und auch keine Funktion „Ähnlichkeitssuche“ vorhanden (s. z. B. Blankenburg, ZVI 2021, 245).
Der Ausbau der Plattform zu einer bundesweit wirklich nutzbaren Plattform für alle Verfahrensbeteiligten, z. B. auch für direkte Forderungsanmeldungen und Substitution der derzeit noch gesetzlich vorgesehenen Zustellungen, z. B. § 30 Abs. 2 InsO, kann nur bei deutlicher Erhöhung der Funktionsfähigkeit mit völliger Neukonzeption erreicht werden.

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