ZVI 2021, 129

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht ZVI 2021 EditorialUlrich Jäger

Ein Schritt in die falsche Richtung

Nun ist es endlich in Kraft, das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens im Rahmen der Insolvenzordnung. Die beschlossenen Änderungen bringen mit Blick auf das Gesetzgebungsverfahren (abgesehen von der sehr erfreulichen Regelung des § 295a InsO) kaum Überraschungen. Neuerlich ist es dem Gesetzgeber gelungen, im Rahmen einer Güterabwägung zwischen den Interessen von Schuldnern und Gläubigern die Waage ausschließlich zu Gunsten der Schuldner ausschlagen zu lassen. Natürlich drängt sich auf Gläubigerseite die Frage auf, ob überhaupt ein Blick auf deren Interessen riskiert wurde. Auch muss man sich fragen, wann die Salamitaktik der sukzessiven Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens ein Ende finden wird. Im Ergebnis befinden wir uns derzeit am Ende einer Entwicklung, die noch vor einem Jahrzehnt vehement (und zu Recht) kritisiert wurde – nämlich an der Kreuzung der Verflechtung bzw. des Gleichlaufs von Verjährungsfristen mit Restschuldbefreiungsfristen.
Nun mag man einwenden, dass durch die Erweiterung der Obliegenheiten des Schuldners nach § 295 InsO eine Verschärfung der Versagungsgründe nach § 296 InsO einhergeht und so eine gewisse Kompensation stattfindet. Dies ist bei näherer Betrachtung indes nicht der Fall. Die Einbeziehung von Schenkungen und Lotteriegewinnen etc. in die Herausgabeobliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO wird in der Praxis keine spürbaren Vorteile für die Gläubiger bringen. Von Glücksspielgewinnen wird der Gläubiger kaum jemals Kenntnis erlangen können, das Schwert bleibt stumpf. Gleiches gilt bei Schenkungen, die es angesichts der Herausgabeobliegenheit ohnehin kaum jemals geben wird: Wenn schon von dritter Seite Geld zur Verfügung gestellt werden sollte, wird dieses, wie bisher, zweckgebunden dazu eingesetzt werden, im Rahmen eines Vergleichs mit den Gläubigern über eine Drittzahlung das Insolvenzverfahren zu beenden. Es ist völlig unrealistisch zu glauben, dass ein Schuldner angesichts der neuen Rechtslage einen Schenkungsvertrag mit der Folge der Herausgabe des Schenkungsgegenstandes an den Treuhänder abschließen wird.
Auch die in § 295 Abs. 1 Nr. 5 InsO neue geschaffene Obliegenheit des Schuldners, keine unangemessenen Verbindlichkeiten zu begründen, lässt keinerlei Vorteil für die Insolvenzgläubiger erkennen. Die faktische Einbeziehung von Nichtinsolvenzforderungen in ein Restschuldbefreiungsverfahren (und sei es auch nur als eine Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen zur Restschuldbefreiung) erscheint schon als systemwidrig. Überdies darf (insbesondere angesichts der Regelung des § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO, wonach einfache Fahrlässigkeit außer Betracht bleibt) auch hier die Frage nach der Praxistauglichkeit dieser Bestimmung gestellt werden. Auch hier wird die Kenntnis der Insolvenzgläubiger vom Verstoß gegen diese Obliegenheit allein von Zufälligkeiten abhängen und so auf Einzelfälle beschränkt bleiben.
Zuzugeben ist, dass ins Leere laufende Änderungen im Rahmen der Versagungsgründe niemandem schaden. Bedenklich indes ist die Erkenntnis, dass der Gesetzgeber bei der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens deren Folgen nicht hinreichend bedacht hat. Dabei soll hier nicht über die erheblichen Einbußen auf Gläubiger-ZVI 2021, 130seite die Rede sein. Maßgeblich ist die Frage, inwieweit sich die Halbierung der Entschuldungsfrist auf den außergerichtlichen Einigungsversuch (der ja noch als maßgeblicher Verfahrensabschritt angesehen wurde, als die InsO aus der Taufe gehoben wurde) auswirkt. Es ist logisch und aus Schuldnersicht auch nur zu verständlich, dass sich die Quoten, die im außergerichtlichen Einigungsversuch angeboten werden, an denen eines möglichen Insolvenzverfahrens orientieren. Aufgrund der geringeren Erträge wird das Interesse der Gläubiger am außergerichtlichen Einigungsversuch weiter sinken. Auch dies ist nur logisch und verständlich, da die Gläubiger die wirtschaftliche Seite, also das Kosten-Nutzen-Verhältnis, nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Dies könnte (und dürfte) zur Folge haben, dass das ursprünglich als Paradedisziplin gedachte vorgerichtliche Verfahren des außergerichtlichen Einigungsversuchs zu einem Stiefmütterchen-Dasein verkommt. Dies ist, auch aus Gläubigersicht, mehr als bedauerlich. Schlimm wird es angesichts des Umstandes, dass durchaus Möglichkeiten bestanden, durch eine recht einfache Umstrukturierung des außergerichtlichen Einigungsversuchs im Wege einer Verfahrenserleichterung zumindest eine kleine Kompensation der Ertragsminderung auf Gläubigerseite zu erreichen. Es ist nur schwer verständlich, dass sich der Gesetzgeber der Forderung nach mehr Transparenz im außergerichtlichen Einigungsversuch durch Einführung eines Formularzwangs auch in diesem Verfahrensabschnitt nicht stellt. Transparenz und effektive Bearbeitungsmöglichkeiten auch und gerade für die Gläubiger zu schaffen, dürfte nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit sein. So bleibt es bei der derzeitigen höchst unbefriedigenden Situation, dass sich die Gläubiger zeitraubend durch seitenlange Pläne kämpfen müssen, nunmehr allerdings bei spürbar geringerer Befriedigungsquote. Hinzu kommt, dass auch die vielfach geäußerte Forderung nach einer Entschlackung des außergerichtlichen Einigungsversuchs von nutzlosen (Null-)Plänen kein Gehör fand. Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber an einem gänzlich sinnlosen Verfahren festhält. Dabei wäre es doch einfach regelbar, den außergerichtlichen Einigungsversuch nur dann (ggf. als zwingend) vorzusehen, wenn eine Quote angeboten werden kann. Die regelmäßig abgelehnten Nullpläne könnten so direkt ins Insolvenzverfahren laufen, ohne die Gläubiger (aber auch die Schuldner und deren Vertreter) weiter zu belasten.
Wer keinerlei Versuch unternimmt, die Gläubiger zumindest durch Verfahrensvereinfachungen bei der Stange zu halten, muss sich dem Vorwurf stellen, den außergerichtlichen Einigungsversuch zur Nebensache degradiert zu haben. Niemand darf fehlendes Interesse der Gläubiger beklagen, wenn er die einfachsten Schritte zur Akzeptanz ignoriert. Auch bei einem Gesetz sollte man nie die Frage aus den Augen verlieren, ob es für die Praxis wirklich tauglich ist oder, anders herum, wie man es praxistauglich gestalten kann. Dies allerdings setzt voraus, dass man die Belange aller Beteiligten gleichermaßen berücksichtigt.
Ass. jur. Ulrich Jäger, Seghorn AG, Bremen

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