ZVI 2024, 63

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz ZVI 2024 RechtsprechungSchuldnerberatung und SchuldenbereinigungEuInsVO Art. 19, 32, 33; ZPO § 767Zur Anerkennung einer in England erteilten Restschuldbefreiung nach dem Brexit EuInsVOArt. 19 EuInsVOArt. 32 EuInsVOArt. 33 ZPO§ 767 OLG Koblenz, Hinweisbeschl. v. 19.12.2023 – 3 U 1052/23 (LG Mainz)OLG KoblenzHinweisbeschl.19.12.20233 U 1052/23LG Mainz

Leitsätze des Gerichts:

1. Art. 32 EuInsVO, der die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Insolvenzverfahren in den Mitgliedstaaten regelt, findet trotz des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union auf in England durchgeführte Insolvenzverfahren weiterhin Anwendung, wenn diese vor dem Ablauf der Übergangszeit am 31. 12. 2020 eingeleitet wurden. „Einleitung“ des Insolvenzverfahrens meint dabei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
2. Die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen eines englischen Gerichts in einem vor dem 31. 12. 2020 eingeleiteten Insolvenzverfahren sind mithin ohne weitere Förmlichkeiten in Deutschland anzuerkennen. Dies gilt auch für eine in England erteilte Restschuldbefreiung. Diese stellt im englischen Bankruptcy Law eine Folge der Einstellungsentscheidung dar und wird daher von Art. 32 EuInsVO erfasst.
3. Die Verlagerung des Lebensmittelpunktes in einen anderen Mitgliedstaat, um ein „günstigeres Insolvenzrecht“ zu erlangen, ist als geschickte Gestaltung grundsätzlich legitim und verstößt für sich genommen noch nicht gegen den Ordre-public-Vorbehalt (Anschluss an EuGH, Urt. v. 11. 11. 2021 – Rs C-168/20). Die Behauptung des Gläubigers, der Schuldner habe einen Lebensmittelpunkt in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nur vorgetäuscht, reicht ebenso wie die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht aus, um der dem Schuldner erteilten Restschuldbefreiung die Anerkennung in Deutschland zu versagen. Denn nach dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens hätte der Gläubiger vor englischen Gerichten gegen die Restschuldbefreiung vorgehen müssen und kann mit seinen Einwendungen im Rahmen der Anerkennung der Entscheidung nicht gehört werden (Anschluss an BGH, Urt. v. 10. 9. 2015 – IX ZR 304/13, ZVI 2016, 63 zu Art. 16, 25 EuInsVO a. F.).
4. Die Frage, ob eine Forderung von einer im Ausland eingetretenen Restschuldbefreiung erfasst ist, ist von den deutschen Gerichten grundsätzlich nach Art. 7 Abs. 2 Satz 2 lit. k EuInsVO unter Anwendung des ausländischen – hier englischen – Rechts zu beantworten.

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