ZVI 2021, 49

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht ZVI 2021 EditorialAndreas Schmidt

Wer berichtigt was?

Vom richtigen „Berichtigen“ i. S. d. § 2a VerbrInsFV in Übergangszeiten

Durch das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens (…)“ vom 22. 12. 2020 ist das Restschuldbefreiungsverfahren bekanntlich von sechs auf nunmehr drei Jahre verkürzt worden. Das Gesetz ist gem. Art 14 Verkürzungsgesetz 2020 in den hier relevanten Teilen rückwirkend zum 1. 10. 2020 in Kraft getreten.
Die Verbraucherinsolvenzformularverordnung (VerbrInsFV) enthält in § 2a folgende Übergangsregelung:
Wird ein Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens zwischen dem 01. 10. 2020 und dem 31. 03. 2021 gestellt, können die in der Anlage zur VerbrInsFV in der Fassung vom 23. 06. 2014 vorgesehenen Formulare weiter verwendet werden. Wird … (davon) Gebrauch gemacht, ist eine in der Abtretungserklärung, von § 287 Abs. 2 InsO n. F. abweichende anderslautende Abtretungsfrist nach § 2 Nr. 1 VerbrInsFV zu berichtigen.
Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Recht zeigen, dass etwa ein Viertel aller Schuldner (AG Hamburg, Abteilung 68g, Stand 31. 1. 2021), die einen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen, weiterhin die alten Formulare benutzen, ohne die Abtretungserklärung zu berichtigen, also ohne den Passus „sechs Jahre“ zu streichen und durch „drei Jahre“ zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was genau mit „berichtigen“ i. S. d. § 2a Satz 2 VerbrInsFV gemeint ist.
Auffassung 1. Nach dieser Auffassung ist eine Berichtigung durch den Schuldner gemeint. Hierfür spricht namentlich die Bezugnahme auf § 2 Nr. 1 VerbrInsFV, wonach u. a. Berichtigungen der Formulare zulässig sind, die auf einer Änderung von Rechtsvorschriften beruhen. Um eine solche handelt es sich hier eindeutig. Folge: In Verfahren, die ab dem 31. 12. 2020 beantragt werden, ist der Schuldner vom Gericht aufzufordern, bei Gericht zu erscheinen, um die von ihm unterschriebene Abtretungserklärung (handschriftlich) zu berichtigen. Dies ist in diesen neu eingehenden Verfahren unproblematisch möglich, wenngleich es naturgemäß mit zusätzlichen Aktenumläufen und Schreibarbeit verbunden ist und man sich darüber klar sein muss, ob und wie der Schuldner zu sanktionieren ist, wenn er einer gerichtlichen Aufforderung zur Berichtigung nicht nachkommt. In Betracht kommt eine Zurückweisung seines Restschuldbefreiungsantrages als unzulässig, wogegen der Schuldner sich dann mit einer sofortigen Beschwerde zur Wehr setzen könnte, worüber er im Zurückweisungsbeschluss belehrt werden müsste.
In den „alten“ Verfahren, also den Verfahren, die zwischen dem 1. 10. und dem 30. 12. 2020 bereits eröffnet worden sind, fragt sich, ob der Schuldner ebenfalls aufgefordert werden kann, die von ihm unter-ZVI 2021, 50schriebene Abtretungserklärung zu berichtigen. Da das Insolvenzverfahren in den meisten dieser Fälle – in Hamburg sind es 91 – bereits (rechtskräftig) eröffnet ist, erscheint dies nicht unproblematisch, weil der Eröffnungsbeschluss jedenfalls in Hamburg u. a. einen Beschluss gem. § 287a Abs. 1 InsO enthält, der bestimmt, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er während der Laufzeit seiner Abtretungserklärung den Obliegenheiten gem. § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 bis 298 InsO nicht vorliegen. Eine Änderung der Abtretungserklärung würde daher zumindest diesen – rechtskräftigen – Beschluss und damit zumindest mittelbar auch den Eröffnungsbeschluss tangieren. Hinzu kommt, dass dann, wenn der Schuldner einer Aufforderung zur Berichtigung nicht nachkommt, hier – anders als bei den neu eingehenden Verfahren – eine Zurückweisung des Restschuldbefreiungsantrages als unzulässig nicht möglich ist, wenn der Beschluss gem. § 287a Abs. 1 InsO bereits rechtskräftig ist.
Auffassung 2: Es erfolgt eine Berichtigung von Amts wegen. In den neu eingehenden Verfahren könnte dann entweder der Richter im Eröffnungsverfahren oder aber der Richter bzw. Rechtspfleger nach Eröffnung die vom Schuldner unterschriebene Abtretungserklärung im Wege einer Berichtigung ändern. § 2a VerbrInsFV könnte man als Spezialfall des § 319 ZPO interpretieren; diese Vorschrift ist über § 4 InsO auch im Insolvenzverfahren anwendbar. In den „alten“ Verfahren (Antragstellung zwischen dem 1. 10. und dem 30. 12. 2020) erscheint indes auch dieser Weg nicht unproblematisch, und zwar wegen der bereits oben skizzierten Probleme, die aufgrund der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses auftreten. Außerdem spricht die Bezugnahme auf § 2 Nr. 1 VerbrInsFV in § 2a Satz 2 VerbrInsFV gegen diese Lösung.
Auffassung 3: Es gibt nichts zu berichtigen. § 2a Satz 2 VerbrInsFV ist als eine – verunglückt formulierte – Fiktion zu interpretieren. Die Norm ist danach so zu lesen, dass die Abtretungserklärung als berichtigt gilt, wenn das alte Formular benutzt wird. Diesen Weg ist der Gesetzgeber in Art. 103k Abs. 2 Satz 2 EGInsO gegangen, also für die Verfahren, in denen die sog. Staffellösung zur Anwendung kommt: Bei Antragstellung zwischen dem 17. 12. 2019 und dem 30. 9. 2020 verkürzt sich die Abtretungsfrist von fünf Jahren und sieben Monate auf vier Jahre und zehn Monate, und zwar pro laufenden Monat um jeweils einen Monat. Art. 103k Satz 2 EGInsO lautet wie folgt:
In Verfahren, (die im Zeitraum vom 17. 12. 2019 bis einschließlich 30. 09. 2020 beantragt worden sind), ist eine in der Abtretungserklärung erklärte, anderslautende Abtretungsfrist insoweit unbeachtlich.
Lösungsvorschlag: Der Gesetzgeber hat es mit Sicherheit nicht gewollt, dass die geschilderten Schwierigkeiten auftreten. Der Gesetzgeber wollte im Gegenteil durch die rückwirkend in Kraft getretene Neuregelung einschließlich der beschriebenen Staffellösung die Funktionsfähigkeit der Schuldnerberatung (und der Insolvenzgerichte) erhalten, also diese gerade nicht zusätzlich belasten. Aufgrund der im Gesetz vorgesehenen Rückwirkung ist m. E. nicht bedacht worden, auch § 2a VerbrInsFV so anzupassen, wie man es für die Anträge, die zwischen dem 17. 12. 2019 und dem 30. 9. 2020 gestellt worden sind, in Art. 103k Satz 2 EGInsO getan hat.
Bei Antragstellung zwischen dem 1. 10. und 30. 12. 2019 ist eine Berichtigung zumindest dann problematisch, wenn der Beschluss gem. § 287a Abs. 1 InsO bereits rechtskräftig geworden ist; dies wurde oben ausgeführt. Für neu eingehende Verfahren dagegen kommt ein an den Schuldner zu richtendes Aufforderungsschreiben in Betracht. Das kann man also so machen. Zu bedenken ist aber, dass dies zu dem seltsamen Ergebnis, dass die „alten“ Verfahren (Antragstellung zwischen 1. 10. und 30. 12. 2020) einerseits und die neu eingehenden Verfahren andererseits unterschiedlich behandelt werden, obwohl für beide § 2a VerbrInsFV Anwendung findet: § 2a VerbrInsFV ist rückwirkend zum 1. 10. 2020 in Kraft getreten (Art. 5 Nr. 1 i. V. m. Art. 14 Verkürzungsgesetz 2020). Eine solche unterschiedliche Behandlung ist jedenfalls nicht zwingend angezeigt, wenn man Auffassung 3 folgt, nämlich § 2a VerbrInsFV als eine missglückt formulierte Fiktion zu lesen.
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Und was gilt in Regelinsolvenzverfahren? In Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person findet § 2a VerbrInsFV keine Anwendung, weil bekanntlich kein Formularzwang besteht, obwohl die Praxis auch im Regelinsolvenzverfahren häufig die Abtretungserklärung aus der Verbraucherinsolvenz benutzt. Gleichwohl handelt es sich um eine privatschriftliche Erklärung des Schuldners.
In den „alten“ Verfahren (Antragstellung zwischen dem 1. 10. 2020 und 30. 12. 2020) besteht hier eine Regelungslücke, die durch eine Analogie zu Art. 103k Satz 2 EGInsO geschlossen werden sollte (Fiktion). In den neu eingehenden Verfahren besteht ebenfalls kein Handlungsbedarf, die Schuldner aufzufordern, eine berichtigte Abtretungserklärung vorzulegen, da es sich ersichtlich um eine bloße falsa demonstratio handelt. Auch eine Berichtigung von Amts wegen über eine erweiternde Auslegung der § 4 InsO, § 319 ZPO kommt in Betracht.
Schlussbemerkung. Für die in der Überschrift aufgeworfene Frage lautet die Antwort in guter Juristenmanier wie folgt: Es kommt darauf an. In der Verbraucherinsolvenz muss m. E. weder in „alten“ noch in neu eingehenden Verfahren zwingend eine Berichtigung erfolgen, wenn der Schuldner das alte Formular „Abtretungserklärung“ benutzt. Es sprechen gute Gründe dafür, § 2a VerbrInsFV als eine verunglückt formulierte Fiktion zu lesen. Gleichwohl sollten Schuldnerberater erwägen, eine Berichtigung der Abtretungserklärung vorzunehmen, bevor der Antrag bei Gericht eingereicht wird. In der Regelinsolvenz sollte der Schuldner, der einen neuen Insolvenzantrag nebst Restschuldbefreiungsantrag stellt, eine Abtretungserklärung herreichen, die eine dreijährige bzw. eine der Laufzeit des § 287 Abs. 2 InsO entsprechende Abtretungsfrist vorsieht; zwingend ist dies m. E. aber nicht. Auf der Internetseite des BMJV ist mittlerweile eine neue Anlage 3 als Anlage zur VerbrInsFV abrufbar (www.gesetze-im-internet.de/normengrahiken/bgbl1_2020/j0832_0010.pdf), die folgende Formulierung enthält:
Für den Fall der gerichtlichen Bestimmung eines Treuhänders (§ 288 Satz 2 InsO) trete ich hiermit meine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende für die Dauer der Abtretungsfrist nach § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder ab.
Zum Glück werden sich die aufgeworfenen Fragen bald erledigen: Für Anträge ab dem 1. 4. 2021 sind in der Verbraucherinsolvenz die – sicherlich bis dahin verfügbaren – neuen Formulare zu benutzen. Die Abtretungserklärung aus diesem Formularsatz werden dann sicherlich auch die meisten Regelinsolvenz-Schuldner verwenden.
Dr. Andreas Schmidt, Hamburg

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