ZVI 2020, 37

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht ZVI 2020 EditorialThomas Reck

InsVV, quo vadis?

Nachdem der VID und die NIVD im letzten Jahr zunächst getrennte Vorschläge zur Reform der InsVV vorgelegt hatten, sind beide Verbände Ende 2019 mit einem gemeinsamen Papier an die Öffentlichkeit getreten.
Im Gegensatz zu den vorherigen Ausarbeitungen enthält der neue Vorschlag auch umfangreiche indexbasierte Herleitungen der angedachten Vergütungserhöhungen. Der Ansatz ist verständlich. Gleichwohl fehlt es hier an der nachvollziehbaren inhaltlichen Verbindung, warum Indexentwicklungen den Umstand kompensieren sollen, dass – abgesehen von Anhebungen der Mindestvergütung – die Vergütungssätze nach der InsVV seit 1999 unverändert sind.
Grundsätzlich handelt es sich zweifellos um ein berechtigtes Anliegen, zumal Insolvenzverwalter auch alle Ausgaben – Büromiete, Personalkosten und Sachkosten – auf der Basis 21 Jahre alter Vergütungssätze finanzieren müssen. Offen bleibt die Frage, warum das alles dann nicht eher thematisiert wurde. In den guten Zeiten wurde mutmaßlich geschwiegen, um nicht zu gierig zu erscheinen, da hohe Verfahrenszahlen ersprießliche Umsätze brachten. Kann man das aber dadurch kompensieren, dass jetzt – vereinfacht gesagt – die Werte aus 1999 auf 2020 hochgerechnet werden? Nein, bei einer rechtlich regulierten Vergütung lassen sich Anpassungsversäumnisse nicht auf diesem Wege ausgleichen. Man denke nur an andere Branchen mit vorgegebener Vergütungsordnung, für die das geradezu eine Sogwirkung hätte. Ärzte, Architekten, Rechtsanwälte, es gibt diverse andere Berufsgruppen, deren Vergütung ebenfalls durch Rechtsvorschriften festgelegt ist.
Ebenso sind die Auswirkungen für die Staatskasse in Stundungsverfahren relevant. Keine Frage, ein Insolvenzverwalter ist für eine gerichtliche Bestellung angemessen zu entschädigen. Hierbei sollte dann aber im Auge behalten werden, wie viel mehr man verlangt.
Heute gibt es mehr Insolvenzverwalter bei weniger Verfahren. Es kann nicht Aufgabe des Vergütungsrechts sein, den Fortbestand von Kanzleien zu sichern, die von dieser Entwicklung nachteilig betroffen sind. Auch wenn das hart klingen mag, gibt es dafür zwei Alternativen: Fusion oder Marktaustritt. Die Entwicklung spricht außerdem dafür, den Berufszugang zu reformieren. Eine in diesem Zusammenhang immer wieder genannte Verkammerung bedeutet zunächst zusätzliche Bürokratie und Kosten. Eine Insolvenzverwalterkammer könnte aber dazu beitragen, das Thema der Verwalterlisten und die nicht verfahrensspezifische Aufsicht unter Kontrolle zu bringen. Letztlich muss auch gesagt werden, dass es für eine auskömmliche Tätigkeit als Insolvenzverwalter heute nicht mehr reicht, den Fachanwaltslehrgang zu besuchen und sich eine Lizenz einer Insolvenzsoftware zu beschaffen.
Einen erheblichen Einschnitt wird in diesem Zusammenhang auch die zu erwartende Verkürzung in Verbraucherinsolvenzverfahren auf eine dreijährige Verfahrensdauer darstellen, auch wenn der Weg dorthin nach den Vorstellungen des BMJV zeitlich gestaffelt werden soll. Dem Vorschlag für eine erhebliche Erhöhung der Treuhändervergütung auf 500 € pro Jahr haftet der Beigeschmack an, dass die Verfahrensverkürzung dadurch mehr als kompensiert werden soll.
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Zu denken geben sollte auch die Begründung, dass Gerichte in der Wohlverhaltensperiode von den Treuhändern eigentlich, also ohne Beauftragung mit der Überwachung der Obliegenheiten des Schuldners, nicht geschuldete Tätigkeiten verlangen. In dem gemeinsamen Entwurf des VID und der NIVD findet sich dann auch noch eine Passage, nach welcher der Anspruch auf die Sachverständigenentschädigung gemäß JVEG neben dem Anspruch auf Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter besteht. Zur Begründung wird ausgeführt, dass es nach wie vor Insolvenzgerichte gebe, die erwarten würden, dass bei einer Bestellung als vorläufiger Insolvenzverwalter kein Anspruch auf die Sachverständigenentschädigung geltend gemacht wird. Das sind bedenkliche Aussagen, denn es sollte eigentlich zu erwarten sein, dass Insolvenzgerichte sich nicht von durch fiskalische Erwägungen geprägten Vorstellungen leiten lassen.
Vielleicht muss man bei dem Thema etwas Phantasie entwickeln. Insolvenzverfahren werden durch das Gesetz über die Insolvenzstatistik schon in Zahlen zerlegt und ausgewertet. Die Vergütung könnte dann zum Beispiel um den Prozentsatz erhöht werden, der im Vorjahr als Quote ausgeschüttet wurde. Dann hätten die Insolvenzverwalter es letztlich selbst in der Hand, auf Erhöhungen Einfluss zu nehmen. Ebenfalls ist zu hinterfragen, ob es noch zwingend einer Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht bedarf, nachdem der BGH bereits entschieden hat, dass in einem Insolvenzplan ein Höchstbetrag für die Vergütung beschlossen werden kann. Auch wenn das ein regelrecht zementiertes Element des Insolvenzverfahrens darstellt, muss man sich vielleicht als nicht mehr zeitgemäß davon verabschieden, dass der Insolvenzverwalter erst am Ende des Verfahrens weiß, wie viel Vergütung er erhält. Dafür ist die Zeit aber wahrscheinlich noch nicht reif.
Im Moment erscheint schon weiterführend, wenn neben einer maßvollen Erhöhung der Mindest- und Regelvergütung auch eine Legaldefinition des insolvenzrechtlichen Normalfalls geschaffen wird, um das mitunter regelrechte Feilschen um Zuschläge auf die Vergütung einzudämmen.
Assessor Thomas Reck, Bremen

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