ZVI 2010, 79

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, KölnRWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln1619-3741Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-InsolvenzrechtZVI2010LiteraturNeues Buch

Carsten Homann, Praxis und Recht der Schuldnerberatung

Köln (RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH), 2009, 370 S., 59 €.
Seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung vor über zehn Jahren hat das Recht der Schuldnerberatung ein wissenschaftliches Schattendasein geführt. Abgesehen von diversen Aufsätzen auch in dieser Zeitschrift fehlte bislang eine systematische und problemorientierte Darstellung des in der täglichen Praxis so wichtigen Rechtsgebiets. Homanns Arbeit, die im Wintersemester 2008/2009 von der juristischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen wurde, schließt diese Lücke auf eindrucksvolle Weise und wird sicherlich dazu beitragen, dass der „Dornröschenschlaf“ dieses Rechtsgebiets bald beendet wird.
Der Autor, dem die strukturellen und rechtspraktischen Probleme der Schuldnerberatung aus seiner Tätigkeit an der Forschungs- und Dokumentationsstelle für Verbraucherinsolvenz und Schuldnerberatung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bekannt sind, erläutert zunächst vor dem historischen Hintergrund der noch jungen Institution der Schuldnerberatung (S. 5 ff.) ihre verschiedenen Ansätze (S. 23 ff.). Er sieht die Schuldnerberatung als ganzheitliche Hilfestellung und Teil der „sozialen Arbeit“ (S. 24 ff., 28 ff.), wobei die Darstellung der unterschiedlichen Beratungsmethoden (S. 33 ff.) und Formen der Schuldnerberatung (S. 37 ff.) sowie ihrer Abgrenzung zur Insolvenzberatung (S. 48 ff.) gerade dem insolvenzrechtlich beschlagenen, mit der Arbeitsweise der Schuldnerberatungen aber wenig vertrauten Leser wertvolle Basisinformationen gibt. Dies gilt insbesondere für die durch die sog. „Hartz-Reformen“ noch unübersichtlicher gewordene Landschaft (S. 55 ff.). Nur für „Insider“ verständlich sind auch die Verflechtungen und Netzwerke zwischen den verschiedenen Vereinigungen der Schuldnerberatungen (S. 68 ff.), die auch im Rahmen der Verbandsbeteiligung Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen abgeben.
Vor dem Hintergrund der notwendigen Anpassung der Insolvenzordnung an die Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union sind die Ausführungen Homanns zu Berufsbild und Tätigkeitsfeld der Schuldnerberatung (S. 94 ff.) von besonderem Interesse. Derzeit fehlen ja in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nähere Angaben darüber, wer als „geeignete Person oder Stelle“ anzusehen ist; entsprechende Vorgaben enthalten nur die Ausführungsgesetze der meisten Länder. Der Bundesgesetzgeber wird vor dem Hintergrund der Dienstleistungsrichtlinie nicht umhin kommen, in der Insolvenzordnung die Voraussetzungen dafür festzuschreiben, wer als „geeignete Per-ZVI 2010, 80son“ anzusehen ist und welche Voraussetzungen für die Anerkennung einer „geeigneten Stelle“ gelten sollen. Homann hat hierzu wertvolle Vorarbeiten geleistet, indem er beispielsweise die notwendigen Qualifikationen der die Schuldnerberatung ausführenden Personen beschreibt und fachlich bewertet (S. 101 ff.) sowie die Anerkennungsvoraussetzungen der Ausführungsgesetze der Länder vergleicht (S. 227 ff.). Diese Betrachtungen sind eng verknüpft mit der berufsrechtlichen Bewertung der Tätigkeit des Schuldnerberaters; nach verfassungsrechtlicher Prüfung geht Homann auf S. 177 davon aus, dass der Schuldnerberater einen durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf ausübt, wobei ihm der heute längst unstreitige Parallelfall des Insolvenzverwalters möglicherweise noch weitere Argumente für seine zutreffende Auffassung geliefert hätte.
Homann sieht die Schuldnerberatung in verfassungsrechtlicher Sicht im Ergebnis auch als materielles Teilhaberecht des Schuldners (S. 135 f.) und scheut sich auch sonst nicht, rechtspolitische Positionen wie die der Kostenfreiheit der Beratungsleistung (S. 31) oder der Ablehnung der gewerblichen Schuldner- und Insolvenzverwaltung (S. 112 ff.) zu vertreten. Auch wenn der (Landes-)Gesetzgeber insoweit, wie die eingehende Prüfung der Novellierung des Rheinland-Pfälzischen Landesgesetzes zur Ausführung der Insolvenzordnung zeigt, einen weiten Ermessensspielraum hat und nach Homanns Ansicht bei einem Ausschluss gewerblicher Anbieter nicht grundrechtswidrig handelt (S. 240 ff., 247), so erscheint das gefundene Ergebnis – die Zulässigkeit des Ausschlusses gewerblicher Anbieter aus der Insolvenzberatung – jedenfalls vor dem Hintergrund der von der Arbeit noch nicht berücksichtigten Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union durchaus gewagt und aus europarechtlichen Gründen im Hinblick auf ausländische gewerbliche Anbieter auch nicht zulässig.
Zu erwähnen ist noch der hilfreiche Überblick des Buches über die in den Ländern höchst unterschiedliche Finanzierung der Schuldnerberatung (S. 293 ff.), die auch den Rechtspolitikern bei einer „ganzheitlichen“ Betrachtung des Verbraucherinsolvenzverfahrens und der Beurteilung möglicher neuer Vorstöße der Länder zur Änderung der Insolvenzordnung von Nutzen sein werden. Neben seiner ausgewogenen Mischung aus Praxisrelevanz und wissenschaftlicher Durchdringung des Stoffes ist das Buch darüber hinaus eine wahre Fundgrube für Daten und Fakten rund um die Schuldner- und Insolvenzberatung. Seine Anschaffung wird sich für Insolvenzverwalter, Schuldnerberater, Behörden und Sozialeinrichtungen lohnen, die sich im weitesten Sinne mit Schuldner- und Insolvenzberatung beschäftigen. Darüber hinaus gehört es in öffentlich zugängliche Bibliotheken, um auch den eigentlich Betroffenen – den Schuldnern nämlich – einen Zugang zu dieser Rechtsmaterie zu ermöglichen.
Dr. iur. Johannes Holzer, Richter am Landgericht, z. Zt. Deutsches Patent- und Markenamt, München

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