ZVI 2010, 487

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, KölnRWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln1619-3741Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-InsolvenzrechtZVI2010ZVI-Dokumentation 

Presseinformation des Verbands der Vereine Creditreform e.V. zur Überschuldungssituation in Deutschland

Trotz der Wirtschaftskrise zeichnet sich kein Schuldnerrekord in Deutschland ab. Der Verband der Vereine Creditreform e.V. beschreibt in einer Mitteilung die Überschuldungsituation in Deutschland im Jahr 2010.

I. Creditreform Presseinformation: 6,5 Millionen Deutsche überschuldet – Anstieg gegenüber dem Vorjahr

6,49 Millionen Deutsche über 18 Jahre sind zum Stichtag 1. Oktober 2010 überschuldet und weisen nachhaltige Zahlungsstörungen auf (2009: 6,19 Mio. Personen). Die Zahl der überschuldeten Personen hat sich 2010 gegenüber dem Vorjahr um rund 300.000 Betroffene erhöht. Für die Bundesrepublik Deutschland ermittelt sich so eine Schuldnerquote – also das Verhältnis von überschuldeten Personen zur Bevölkerungszahl über 18 Jahre – von 9,50 Prozent (2009: 9,09 Prozent).
Überschuldung liegt vor, wenn ein Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen auch in absehbarer Zeit nicht begleichen kann und ihm weder Vermögen noch andere Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
ZVI 2010, 488

II. Trotz Wirtschaftskrise kein neuer Schuldnerrekord

Trotz des historischen Wirtschaftseinbruchs im vergangenen Jahr ist die Zahl der überschuldeten Verbraucher nicht so stark gestiegen wie befürchtet. Eine deutliche Verschlechterung der Überschuldungssituation in Deutschland wurde auch dank Kurzarbeitergeld und der damit weiterhin stabilen Einkommen zunächst verhindert.
Allerdings ist die im Vergleich zum Vorjahr erhöhte Schuldnerquote auch Ausdruck der zeitweisen Verschlechterung am Arbeitsmarkt infolge der Rezession. Immer noch gilt der Verlust des Arbeitsplatzes als Hauptauslöser für Überschuldung. Zum Zweiten lassen die gestiegenen finanziellen Belastungen der Verbraucher – etwa für Gesundheit und Altersvorsorge sowie für Miete und Nebenkosten – weniger Spielraum, um bestehende Kreditverpflichtungen erfüllen zu können. Die seit dem Frühjahr wieder vermehrten positiven Konjunktursignale sowie die stabilen Beschäftigungserwartungen führten schließlich zu einem wieder lockeren Ausgabeverhalten der Verbraucher, die auch neue Kreditverpflichtungen eingegangen sind. Das gilt insbesondere für jüngere Erwachsene.
In allen Bundesländern ist 2010 eine Zunahme der privaten Überschuldung zu verzeichnen. Überdurchschnittlich stark fiel der Anstieg in Sachsen-Anhalt aus (plus 0,53 Prozentpunkte gegenüber 2009) sowie im Saarland und in Berlin (jeweils plus 0,51 Prozentpunkte). Um einen vergleichsweise geringen Anteil ist die Schuldnerquote in Bremen gestiegen (plus 0,21 Prozentpunkte). Die Hansestadt (14,13 Prozent) weist aber weiterhin die höchste Quote aller deutschen Länder auf, gefolgt von Berlin (12,67 Prozent) und Sachsen-Anhalt (11,58 Prozent). Am niedrigsten ist Schuldnerquote derzeit in Bayern (7,06 Prozent), Baden-Württemberg (7,46 Prozent) und Sachsen (8,37 Prozent).

III. Mehr Frauen sind überschuldet – junge Erwachsene mit stark steigender Schuldnerbetroffenheit

Die Verschuldungsproblematik verstärkt sich bei weiblichen Schuldnern und in bestimmten Altersgruppen überdurchschnittlich: Während der Anteil der Männer an den überschuldeten Privatpersonen seit 2004 von 68,0 auf 61,3 Prozent zurückging (minus 6,7 Prozentpunkte), stieg der Anteil der Frauen um 6,7 Prozentpunkte auf 38,7 Prozent. Demnach sind 3,98 Millionen aller überschuldeten Personen männlichen (minus 0,47 Millionen gegenüber 2004) und 2,51 Millionen weiblichen Geschlechts (plus 0,42 Millionen gegenüber 2004). Im Vergleich zum Jahr 2009 erhöhte sich die Zahl der überschuldeten Frauen um 11,4 Prozent, während die Zahl der betroffenen Männer nahezu stagnierte (plus 0,9 Prozent).
Auch in Bezug auf das Alter des Schuldners gibt es unterschiedliche Trends: So liegt die Schuldnerquote bei Personen in der Altersgruppe 40 bis 49 Jahre mit 13,29 Prozent zwar weiterhin am höchsten, allerdings sind relativ gesehen weniger Personen betroffen als im Jahr 2004 (15,18 Prozent). Anders dagegen die Entwicklung bei jungen Erwachsenen: Von den 20- bis 29-jährigen Einwohnern Deutschlands gelten mittlerweile 10,75 Prozent als überschuldet. Das sind fast 400.000 Personen oder 3,20 Prozentpunkte mehr als 2004, als die Schuldnerquote in diesem Alterssegment noch bei unterdurchschnittlichen 7,55 Prozent lag. Einen Anstieg der Schuldnerquote im Vergleich zu 2004 verzeichnen auch die Altersgruppe der unter 20-Jährigen (plus 1,12 Prozentpunkte) sowie ältere Personen über 70 Jahre (plus 0,22 Prozentpunkte). Der gegenüber dem Vorjahr festzustellende aktuelle Anstieg der Gesamtzahl der überschuldeten Personen in Deutschland wird aber bis auf die über 60-Jährigen von allen Altersgruppen verursacht.
3,61 der 6,49 Millionen überschuldeten Personen weisen zahlreiche gerichtliche Überschuldungsmerkmale wie eine eidesstattliche Versicherung oder eine Privatinsolvenz auf. Die Zahl der Betroffenen hat sich gegenüber 2006 (3,40 Millionen) um mehr als sechs Prozent erhöht. Zurückgegangen ist hingegen die Zahl der Personen, deren Überschuldungssituation noch nicht aussichtslos ist, die aber bereits nachhaltige Zahlungsstörungen aufweisen. Gegenüber 2006 sank die Zahl der Betroffenen von 3,79 auf 2,88 Millionen (minus 24,0 Prozent).

IV. Musterknabe Deutschland – doch weitere Überschuldung droht

Die Verbraucherüberschuldung ist in Deutschland deutlich geringer als in den angelsächsischen Ländern. So sind in Großbritannien 13,8 Prozent der privaten Konsumenten überschuldet, in den USA sogar 17,4 Prozent. Ein Grund hierfür: Diese Volkswirtschaften waren und sind stärker von der Finanz- und Immobilienkrise betroffen, und die Arbeitslosigkeit ist im Verlauf der Rezession deutlich stärker und nachhaltiger gestiegen als in Deutschland.
In den kommenden zwei Jahren ist nicht mit einem Rückgang der Verbraucherüberschuldung zu rechnen. Jeder zehnte Deutsche (9,8 Prozent) fühlt sich bereits jetzt durch seine finanziellen Verbindlichkeiten überfordert, ein weiteres Drittel (32,0 Prozent) hat wenigstens manchmal „Schuldenstress“. Die von der Bundesregierung geplanten Sparmaßnahmen sowie weitere Faktoren – wie zunehmende Wohnkosten und der Anstieg prekär Beschäftigter – drohen Auslöser für eine neuerliche Überschuldungsentwicklung zu sein.

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