ZVI 2025, 468

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz ZVI 2025 Report 

Gemeinsamer Aufruf an den Gesetzgeber: Das Problem der Verstrickung in der Insolvenz muss dringend gelöst werden!

Die Verstrickung des Kontos durch eine Kontenpfändung, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist, stellt die insolvenzrechtliche Praxis vor erhebliche Probleme. Die ordnungsgemäße Pfändung vor der Eröffnung führt zum Entstehen eines materiellen Pfändungspfandrechts und zu einer Verstrickung der gepfändeten Forderung im Sinne einer Beschlagnahme (BGH v. 24. 3. 2011 − IX ZB 217/08, ZVI 2011, 248 = NZI 2011, 365; BGH v. 21. 9. 2017 – IX ZR 40/17, ZVI 2018, 150 (m. Bespr. Homann, S. 137); BGH v. 19. 11. 2020 – IX ZB 14/20, ZVI 2021, 186; ausf. Bast/Becker, NZI 2021/481).
Die Verstrickung führt dazu, dass der Drittschuldner etwaig pfändbare Beträge weder an den Pfändungsgläubiger noch an den Insolvenzverwalter auszahlen kann. Nur durch eine Beseitigung aller Pfändungen oder durch die Aussetzung deren Wirkung kann eine Auszahlung erfolgen.
Dieses Problem besteht strukturell nicht nur bei der Konten-, sondern auch bei der Lohnpfändung.
Keine adäquate Lösungsmöglichkeit für die Situation:
Die Situation ist mit vertretbaren Aufwänden nicht zu bereinigen:
Der Pfändungsgläubiger ist nicht zu einer Rücknahme verpflichtet, da er ein (wenn auch wirtschaftlich begrenztes) Interesse daran haben kann, im Fall des Scheiterns des Verfahrens seinen vor Insolvenzeröffnung erlangten Pfändungsrang beizubehalten.
Eine Lösung ist derzeit nur dadurch möglich, dass eine gerichtliche Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung erfolgt. Diese muss hinsichtlich jeder einzelnen Pfändungsverfügung erfolgen, die teilweise weit in der Vergangenheit erfolgt und zwischenzeitlich mehrfach abgetreten sind.
Der Insolvenzverwalter kann die gerichtliche Aussetzung der Pfändungen nur bis zur Aufhebung der Insolvenzverfahren beantragen. Danach muss der Schuldner die gleichen komplizierten Aufwände betreiben, um sein Konto in der Wohlverhaltensperiode uneingeschränkt nutzen zu können. Dazu ist er regelmäßig nicht in der Lage.
Auch nach der Entscheidung über die Restschuldbefreiung wirken die alten Pfändungen fort. Bei einer Weigerung der Pfändungsgläubiger, die Pfändung zurückzunehmen (in der Praxis sind die Forderungen nicht selten mehrfach abgetreten), sind weitere gerichtliche Befassungen und Entscheidungen notwendig.
Die Folgen dieser Rechtslage sind weitreichend und nachhaltig:
Kreditinstitute und Arbeitgeber haben große Arbeitsaufwände mit der Einordnung der faktischen Probleme und der Klärung der komplizierten Rechtslage. Insbesondere Drittschuldner ohne eigene Rechtsabteilung sind hiermit gänzlich überfordert. Die ohnehin bereits durch die Pfändungsbearbeitung geforderten Arbeitsverhältnisse werden weiter belastet. Die meisten Arbeitgeber haben die Problematik noch gar nicht erkannt und machen sich unter Umständen schadensersatzpflichtig.
Insolvenzverwalter müssen große Aufwände betreiben, um pfändbare Beträge auf dem Konto des Schuldners zur Masse ziehen können. Zudem sind Massekonten ebenfalls blockiert, wenn der Schuldner sein Konto bei demselben Institut führt.
Schuldnern ist es praktisch nicht möglich, das Konto nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder uneingeschränkt zu nutzen. Auch nach der Erteilung der Restschuldbefreiung wirkt die Verstrickung fort. Da auf dem Konto nicht selten auch unpfändbares Arbeitseinkommen separiert wird, ist oft auch das Existenzminimum des Schuldners beeinträchtigt. Das Arbeitsverhältnis wird massiv belastet.
Gerichte werden (mehrfach) mit unnötigen Verfahren belastet. Die anspruchsvolle Rechtslage führt zu hohen und unnötigen Arbeitsaufwänden.
Die Situation kann nur durch einen Eingriff des Gesetzgebers bereinigt werden. Das BMJ hatte in 2023 einen Lösungsvorschlag angekündigt, der aber letztendlich wegen des vorzeitigen Endes der letzten Legislaturperiode nicht vorgelegt wurde.
Zu rechtlichen Umsetzung liegen mehrere Lösungsvorschläge für eine Änderung des § 89 bzw. einer Reaktivierung des § 114 InsO vor (Grote, ZInsO 20223, 589; Ahrens, NZI 2023, 793).
Die Unterzeichner fordern das BMJV und den Bundestag dringend auf, das Problem gesetzgeberisch zu lösen.
Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände
Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung
Bund Deutscher Rechtspfleger
Deutscher Anwaltverein (ARGE Insolvenzrecht und Sanierung)
Deutscher Restrukturierungs- und Insolvenzrechtstag
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
Die Teilnehmer der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Lohnpfändung der Drittschuldner
(Redaktion Prof. Dr. Hugo Grote, Köln)

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