ZVI 2025, 381

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz ZVI 2025 EditorialKlaus Hofmeister

Schuldnerberatungsdienstegesetz auf dem Verschiebebahnhof

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat Ende Juni 2025 den Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu Schuldnerberatungsdiensten für Verbraucher (Schuldnerberatungsdienstegesetz – SchuBerDG) veröffentlicht (ZVI 2025, 322). Damit soll Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2023/2225 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. 10. 2023 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) in nationales Recht umgesetzt werden. Die Frist hierfür läuft bis zum 20. 11. 2025, das Inkrafttreten muss bis zum 20. 11. 2026 erfolgen. Eine Reihe von Verbänden hat zum vorliegenden Gesetzentwurf Stellung genommen. Auf einige Meilensteine daraus soll nachfolgend kommentierend eingegangen werden.
Vorab: Man sollte sich nicht darüber täuschen lassen, dass die Sicherstellung der Schuldnerberatung im Sinne des zukünftigen Schuldnerberatungsdienstegesetzes (SchuBerDG) automatisch gleichzusetzen ist mit einem individuellen Anspruch auf Schuldnerberatung des Betroffenen.
Im Wesentlichen bezieht sich die „Sicherstellung“ der Schuldnerberatung darauf, dass ein flächendeckendes und ausreichendes Angebot an Schuldnerberatungsdiensten vorhanden ist, sodass jeder, der Unterstützung benötigt, theoretisch Zugang zu einer solchen Beratung haben kann. Das bedeutet, dass die öffentliche Hand oder andere Träger dafür sorgen müssen, dass genügend Stellen zur Verfügung stehen, die Schuldnerberatung anbieten. Ein individueller Anspruch auf Schuldnerberatung würde hingegen bedeuten, dass jeder Betroffene ein Recht auf eine konkrete Beratung hat, die auf seine persönlichen Bedürfnisse und seine Situation zugeschnitten ist. Dieser Anspruch würde den Betroffenen rechtlich dazu berechtigen, unabhängig von anderen Faktoren, eine Schuldnerberatung zu erhalten, und er hätte eine rechtliche Grundlage, um diese Beratung einzufordern.
In vielen Rechtssystemen, auch in Deutschland, ist es derzeit so, dass die Schuldnerberatung zwar angeboten wird, aber nicht zwangsläufig als individueller Rechtsanspruch formuliert ist. Es wird eher ein Anspruch auf Zugang zu Beratungsdiensten gewährleistet, ohne dass es eine Pflicht gibt, dass jeder Betroffene auch tatsächlich eine spezifische und umfassende Beratung erhält. Im Entwurf des Schuldnerberatungsdienstegesetzes (SchuBerDG) geht es zwar um eine Verbesserung des Zugangs, ohne jedoch notwendigerweise einen individuellen Rechtsanspruch auf eine persönliche Beratung zu schaffen.
§ 1 SchuBerDG-E regelt, dass Verbrauchern, die Schwierigkeiten bei der Erfüllung ihrer finanziellen Verpflichtungen haben oder haben könnten, unabhängige Schuldnerberatungsdienste zur Verfügung stehen. Der Sicherstellungsauftrag hierfür wird dem Entwurf gemäß in den Schoß der Länder gelegt. Es klingt schon fast etwas enttarnend, wenn in der Begründung zu dieser Regelung darauf verwiesen wird, dass die mit der Schuldnerberatung befassten Kommunen aufgrund der Vorgabe in Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG nicht mit der Sicherstellung vom Bund betraut werden können und daher der Auftrag an die Länder adressiert ist. Für die damit beauftragten Länder wird in der Begründung sogleich ein einfaches Rezept mitgeliefert, wie sie diesen Ballast wieder loswerden können, nämlich: ZVI 2025, 382„Den Ländern steht es jedoch frei, die Aufgabe auf die Kommunen zu übertragen.“
Der Deutsche Städtetag, der in seiner Stellungnahme vom 17. 7. 2025 ausdrücklich begrüßt, dass für Personen mit finanziellen Problemen ein frühzeitiges Beratungsangebot etabliert werden soll, hat unmissverständlich seine Ablehnung einer solchen Aufgabenübertragung auf die Kommunen ohne dauerhaften und auskömmlichen Kostenausgleich bei den Personal- und Sachkosten signalisiert. Man könnte auch sagen: Ohne Moos nix los. Denn die kommunale Seite hat natürlich erkannt, dass die neuen Regelungen zusätzliche Ratsuchende in die existierende Beratungslandschaft bringen und laut Städtetag „eine umfangreiche Aufstockung des bisherigen Angebots und Personal notwendig werden, das von Bund und Ländern finanziert werden muss“. Ohne Zweifel bestehen für einen solchen Belastungsausgleich auch gesetzliche Normen. In Bayern etwa ist in Art. 83 Abs. 3 der Verfassung des Freistaates festgelegt, dass ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen ist, wenn den Gemeinden ein Mehraufwand durch die Übertragung von Aufgaben entsteht.
Dass es schwierig werden wird, sich in diesem Punkt zwischen den staatlichen Ebenen zu verständigen, lassen die Ausführungen im Gesetzentwurf zu den Haushaltsausgaben bei Ländern und Kommunen erahnen. Dort heißt es lapidar: „Für die Sicherstellung im Sinne von § 1 des Entwurfs können somit Mehrausgaben für die Haushalte von Ländern und der Kommunen, in deren Finanzverantwortung die Schuldnerberatung steht, zwar nicht ausgeschlossen werden. In welcher Höhe ein finanzieller Mehraufwand entstehen kann, ist jedoch im Vorhinein nicht verlässlich quantifizierbar.“
Diese abwiegelnd klingende Aussage ist nicht wirklich kongruent mit einer Feststellung in der Begründung zu § 1 des Entwurfs, wo es heißt: „Insoweit ist der potentielle Personenkreis, für den unabhängige Schuldnerberatungsdienste zur Verfügung stehen müssen, vielfältig.“ Hier könnte wohl noch ergänzt werden „… und aller Voraussicht nach auch vielzählig.“ Alles in allem klingen die Aussagen im Begründungstext zu den Haushaltsausgaben (wieder einmal) ganz nach Verschiebebahnhof in Richtung Länder und Kommunen.
Beistand erfährt die kommunale Ebene aus der Stellungnahme des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands – VID (ZVI 2025, 329). Dort wird darauf hingewiesen, dass das Beratungsangebot nach dem SchuBerDG-E auf dem präventiven Ansatz der Verbraucherkreditrichtlinie fußt und Betroffene daher möglichst frühzeitig Unterstützung erhalten sollen, sobald diese Schwierigkeiten haben oder haben könnten, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen und nicht erst, wenn bereits Insolvenzreife droht oder eingetreten ist. Folgerichtig konstatiert der VID, die derzeitige Beratungslandschaft sei weder von ihren Kapazitäten noch von ihren Strukturen her auf die neuen Herausforderungen vorbereitet. Dieser Feststellung ist zuzustimmen.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (BAG-SB) hat in ihrer Expertise zum Entwurf eine Berechnung des voraussichtlichen zusätzlichen Personalbedarfs vorgenommen. Demnach wären bundesweit rund 650 zusätzliche Vollzeitäquivalente an Beratungsfachkräften in den ca. 1.350 Beratungsstellen erforderlich. Bei Personalvollkosten pro Vollzeitarbeitskraft gemäß der aktuell gültigen Tabelle des Bay. Finanzministeriums (Stand ab 1. 2. 2025) i. H. v. 119.167 €/Jahr in einer Einwertung in Entgeltgruppe E11 des TVöD ergeben sich Gesamtkosten von rund 77,5 Mio. € jährlich, die zusätzlich anfallen würden. Berücksichtigt man lediglich die Personaldurchschnittskosten von 91.666 € pro Vollzeitkraft, also ohne Aufschlag für Gemein- und Arbeitsplatzkosten, so errechnen sich Mehrkosten von jährlich ca. 60 Mio. €.
Angesichts der klammen öffentlichen Kassen sollte über eine Mitfinanzierung durch Gläubiger an den Kosten der Beratung offen diskutiert werden. Der Deutsche Städtetag hat diesen Gedanken in seiner Stellungnahme aufgegriffen mit der Bemerkung „Außerdem ist eine Beteiligung der Kreditwirtschaft an der Finanzierung der Beratung möglich.“ Vorschläge hierzu liegen bereits seit Jahren vor und wurden im Zusammenhang mit der Verbraucherkreditrichtlinie insbesondere von Rein (ZVI 2024, 367) differenziert dargelegt.
Die BAG-SB plädiert in ihrer Stellungnahme (www.bag-sb/positionen.de) dafür, dass § 1 des Gesetzentwurfes dahingehend ergänzt wird, den Ratsuchenden nicht nur unabhängige, sondern auch unentgeltliche, qualifizierte und leicht zugängliche Schuldnerberatungsdienste zur Verfügung zu stellen. Dies korreliert mit § 3 des Entwurfs, wonach die Beratung „grundsätzlich kostenlos, höchstens jedoch gegen ein begrenztes Entgelt angeboten werden soll“. Die Entgelte dürfen demnach maximal die Betriebskosten des Anbieters decken und keine unangemessene Belastung ZVI 2025, 383für die Verbraucher darstellen. Die Regelung zu den Entgelten ist aus Sicht des Verfassers völlig verunglückt und würde beträchtlichen bürokratischen Aufwand wie auch Hürden zur Inanspruchnahme der Beratung aufbauen, also abschreckende Wirkung entfalten. Die aus den Kreisen der Schuldnerberatung geäußerte Befürchtung, finanzschwache Bundesländer könnten die Mehrkosten über eine weitreichend kostenpflichtige Beratung finanzieren, ist zudem nicht von der Hand zu weisen.
Sowohl die BAG-SB, die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), der VID und der Deutsche Städtetag sprechen sich deutlich für eine generelle Unentgeltlichkeit der Schuldnerberatung und den Verzicht auf Entgelte und eine kostenfreie Schuldnerberatung aus. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) verweist in seinem Statement (ZVI 2025, 328) ebenfalls auf den großen Aufwand, den ein aus den Betriebskosten zu ermittelndes Entgelt auslösen würde. Alternativ wird ein feststehender, geringfügiger Eigenanteil analog zur anwaltlichen Beratungshilfe (derzeit 15 €) zur Diskussion gestellt, wovon Bezieher von Leistungen der sozialen Mindestsicherung freigestellt werden sollen.
Über den Sinngehalt der Entgeltregelung in § 3 des Entwurfs kann nur spekuliert werden. Denn in der Begründung zu den Einnahmen hieraus steht zu lesen, „dass Einnahmen allenfalls in geringer Höhe erzielt werden und diese daher zu vernachlässigen sind“. Also: Wozu dann dieses Fass aufmachen, wenn wohl nichts dabei rauskommt?
Nur am Rande sei erwähnt, dass das Ziel einer „kostenlosen Schuldnerberatung, die niemanden ausschließt“ auch Bestandteil des Koalitionsvertrages der aktuellen Bundesregierung ist (Rz. 1291, 1292). Vor diesem Hintergrund ist auch die Öffnung des Zugangs zur Schuldnerberatung für breite Bevölkerungskreise (Arbeitnehmer*innen, Rentner*innen, Student*innen, Kleinselbstständige etc.) von großer Relevanz, die mancherorts aufgrund der aktuellen gesetzlichen Beschränkung auf Leistungsbezieher nach dem SGB II und SGB XII noch keine Beratung erhalten. Für eine entsprechende Öffnung hat sich auch die Diskussionsrunde zur Reform der Verbraucherinsolvenz („DRV-2024“) ausgesprochen (ZVI 2025, 32).
Den Aspekt notwendiger Präventionsmaßnahmen greift der VID in seiner Stellungnahme auf und kritisiert zu Recht, dass „…die fehlende gesetzliche Verankerung präventiver Infrastruktur … ein zentrales Defizit des Entwurfes mit Blick auf Nachhaltigkeit und Wirkungsorientierung darstellt“. In diesem Kontext wird auch die Stärkung der finanziellen Allgemeinbildung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen in den Fokus gerückt. Diesbezüglich wäre es wünschenswert, wenn die aktuelle Regierung anknüpfen würde an Aktivitäten ihrer Vorgängerin. Mit der Ampel-Regierung in der Versenkung verschwunden ist nämlich leider die Initiative Finanzielle Bildung, die gemeinsam vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) getragen wurde. Ziel war die Erarbeitung einer Finanzbildungsstrategie für Deutschland zur Förderung von wirtschaftlichen Kompetenzen breiter Bevölkerungsgruppen auf der Grundlage einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Jüngst hat die Süddeutsche Zeitung (SZ) in ihrem Wirtschaftsteil dieses Thema wieder aufgegriffen darauf hingewiesen, dass gerade junge Menschen ein Defizit an entsprechenden Angeboten sehr bedauern („Was die Jugend übers Geld lernt“, SZ v. 17. 9. 2025, S. 15).
Demnach ist gerade bei jungen Menschen das Interesse an „Finfluencern“, also Influencern, die Beiträge aus dem Finanzbereich im Netz posten, zunehmend groß. Verwiesen wird diesbezüglich auch auf die Ergebnisse der Jugendstudie 2025 der MetallRente, dem gemeinsamen Versorgungswerk der Tarifvertragsparteien Gesamtmetall und der IG Metall (www.metallrente.de). Im dreijährigen Turnus werden hierbei 2.500 junge Menschen zu ihren finanziellen Kenntnissen, ihrem Sparverhalten und ihren Zukunftsvorstellungen befragt. Die aktuellen Ergebnisse zeigen auf, dass 75 % der Befragten Angst vor Altersarmut haben und entsprechend verunsichert über ihre Zukunftsaussichten sind. Rund 90 % wünschen sich mehr Aufklärung in Finanzfragen und die Aufnahme des Themas Altersvorsorge in ein eigenes Schulfach Wirtschaft und Finanzen.
Dem Wunsch der jungen Menschen nach mehr Finanzkompetenz und den zahlreichen Anregungen der Verbände zur Optimierung des Entwurfs eines Schuldnerberatungsdienstegesetz sollte mit Elan nachgekommen werden, damit Ahrens (NZI-Editorial 15/2025) mit seinem Slogan Recht behält: Schuldnerberatung für alle.
Klaus Hofmeister, Abteilungsleiter im Sozialreferat der Landeshauptstadt München

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