ZVI 2020, 369

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht ZVI 2020 EditorialFrank Lackmann

Baustelle InsO (Teil 2), der Regierungsentwurf vom 1. 7. 2020 und die Büchse der Pandora

Der Regierungsentwurf der Bundesregierung eines „Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens“ hat in der gesamten Insolvenzrechtsszene für Aufruhr gesorgt (vgl. nur Allemand/Henning, ZVI 2020, 325; Heyer, ZVI 2020, 285; Stellungnahme der AG SBV vom 12. 8. 2020; Aufruf zum Regierungsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens vom 1. Juli 2020, Ahrens, Pape et al.).
Die Kritik war und ist erheblich. Wieder einmal wurde seitens des Gesetzgebers indirekt das Bild des unredlichen Schuldners gezeichnet, der – sobald das Gesetz in Kraft ist – losmarschiert, Kredite aufnimmt und munter shoppen geht und das alles in dem Wissen, sich ja in drei Jahren entschulden zu können. Und dies in Zeiten der Corona-Pandemie, in der das gesamte Land versucht, den Karren am Laufen zu halten und in dem eine Vielzahl an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fürchten müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder über einen längeren Zeitraum mit Kurzarbeitergeld (welches ja aktuell verlängert wurde) leben zu müssen. Aber auch vor der Corona-Krise war dieses Schuldnerbild schlicht falsch, wie Allemand und Henning bereits erläutert haben (ZVI 2020, 325).
Unter anderem der Deutsche Anwaltsverein, die AG SBV (Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände) und die BAG-SB e. V. (Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung) sowie der o. g. Aufruf zahlreicher Expertinnen und Experten rund um das (Verbraucher-)Insolvenzrecht haben in ihren Stellungnahmen deutlich und präzise die Probleme des Regierungsentwurfs herausgearbeitet, was offenbar beim Bundesrat nur teilweise Zustimmung gefunden hat.
Begrüßenswert ist die Auffassung des Bundesrates in seinen Empfehlungen vom 18. 9. 2020, dass die bei Auskunfteien gespeicherten Informationen über Insolvenzverfahren und Restschuldbefreiungsverfahren binnen eines Jahres zu löschen sind. Dies ist eine langjährige Forderung der Schuldnerberatungsstellen und Schuldnervertreter und war so auch noch im Referentenentwurf vom 13. 2. 2020 vorgesehen. Warum diese Regelung im Regierungsentwurf wieder gestrichen wurde, ist nicht nachvollziehbar. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Verkürzung der Speicherfrist im Referentenentwurf noch als sehr wichtig beschrieben wurde (Referentenentwurf vom 13. 2. 2020, S. 23 f.).
Auch der Bundesrat ist, ebenso wie die Vertreter der Schuldnerberatung der Auffassung, dass im Rahmen der Ausweitung des Versagungsgrundes in § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO-E die Einführung einer Bagatellgrenze für Lottogewinne etc. notwendig ist. Es sei denn, der Treuhänder soll sich demnächst auch mit auf Jahrmärkten gewonnenen Teddybären (O-Ton Bundesrat) und Tütensuppen beschäftigen.
Nicht nachvollziehbar ist es, wenn der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 18. 9. 2020 entgegen den Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates an der im Regierungsentwurf enthaltenen Sukzessivlösung für zwischen dem 19. 12. 2019 und 30. 9. 2020 beantragte Insolvenzverfahren festhält. Völlig zu Recht hatten sich die Ausschüsse des Bundesrates in ihren Empfehlungen vom 7. 9. 2020 dafür ausgesprochen, für alle zwischen dem 19. 12. 2019 ZVI 2020, 370und dem 30. 9. 2020 beantragten Verfahren nur noch eine dreijährige Laufzeit plus Differenzmonate bis zum 1. 10. 2020 anzunehmen. Das wäre die fairste aller Möglichkeiten gewesen. Leider fehlt dem Bundesrat hier der Mut, und es kommt nun noch dazu, „dass durch die jetzige Regelung nicht nur das Vertrauen der Betroffenen in die Gesetzgebung, sondern auch in die Beratungskräfte erschüttert wird“ (Empfehlungen der Ausschüsse vom 7. 9. 2020, 439/1/20, S. 5). Das ist schlichtweg ein Skandal!
Die Einführung einer Evaluationsregel in Bezug auf die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, sei es im Jahre 2024 oder im Jahre 2029 ist unnötig, da dieselben Diskussionen wieder drohen, wie wir sie derzeit erleben. Die Erfahrung zeigt, dass bislang jegliche Bedenken und Vorbehalte bzgl. der Möglichkeit der Erteilung der Restschuldbefreiung aus wirtschaftlicher Sicht unnötig gewesen sind (vgl. hierzu Pape, ZInsO 2020, 1347). Besonders bedenklich erscheint im Übrigen auch die geplante Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung von Amts wegen im § 296 Abs. 1a InsO. Der Bundesrat sorgt sich offensichtlich nicht um die Systematik der Insolvenzordnung, sondern um die Arbeitsbelastung des Insolvenzgerichts (Stellungnahme des Bundesrates, S. 2 f.) Es stellt sich die Frage, was hier geöffnet werden soll!? Evtl. die Büchse der (insolvenzrechtlichen) Pandora?
Bleibt zu hoffen, dass der Rechtsausschuss des Bundestages, der am 30. 9. 2020 tagte, zu diesen und den weiteren kritikwürdigen Punkten (vgl. die Stellungnahme der AG SBV, a. a. O.) etwas mutiger ist und entsprechend auf die Bundesregierung einwirkt.
Der Verfasser sprach schon im Editorial des Heftes 11/2018 von der „Baustelle InsO“ und davon, dass noch einige Stellschrauben zu drehen seien, um das Instrument der InsO noch besser zu machen. Mit der kommenden Gesetzesreform droht wieder einmal nur ein halbherziges Regierungshandeln, welches das Ziel an den entscheidenden Stellen verfehlt.
Rechtsanwalt Frank Lackmann, Bremerhaven

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