ZVI 2019, 365

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht ZVI 2019 EditorialKai Henning

Die kommenden Änderungen der Verbraucherinsolvenz

Gespannt warten anwaltliche und soziale Schuldnerberaterinnen und -berater zurzeit auf die kommenden Änderungen des Restschuldbefreiungsverfahrens. Überschuldete Mandanten und Klienten sehen hocherfreut bereits eine demnächst nur noch dreijährige Entschuldungszeit vor sich. Aber etwas Skepsis dürfte beim Blick in die Restschuldbefreiungszukunft noch angebracht sein. 2009 waren schon einmal durch eine überraschende Vereinbarung im Koalitionsvertrag der damals neu gewählten schwarz-gelben Bundesregierung große Hoffnungen auf eine dreijährige Entschuldungszeit geweckt worden, die mit der dann folgenden Einführung der 35 %-Quote des § 300 InsO nicht erfüllt werden konnten.
Die jetzigen Vorgaben der am 26. 6. 2019 im EU-Amtsblatt veröffentlichten Richtlinie sind zwar bindender als eine Vereinbarung in einem Koalitionsvertrag. So bestimmt Titel 3 Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie eindeutig, dass eine vollständige Entschuldung nach drei Jahren zu erreichen sein muss. Aber Titel 3 Art. 20 Abs. 1 lässt diese Regelung ebenso eindeutig nur für Unternehmer gelten, womit wir das erste Umsetzungsproblem festzustellen haben. Der deutsche Gesetzgeber ist nicht gehindert, die bisherige Gleichbehandlung von Verbrauchern und Unternehmern fortzusetzen. In den Erwägungsgründen zur Richtlinie wird diese Gleichbehandlung sogar empfohlen. Aber muss der deutsche Gesetzgeber auch gleichbehandeln? Es verwundert nicht, dass die eher den Antipoden der Restschuldbefreiung zuzurechnenden Stimmen dies verneinen. Ungleiches dürfe auch ungleich behandelt werden. Ob diese Aussage eine verfassungsrechtliche Prüfung bestehen würde, erscheint zwar zweifelhaft. Ebenso bedenklich erscheint, ob die Politik diese Ungleichbehandlung anstrebt, die doch sehr im Gegensatz zu den bisherigen Regelungen stände. Die Frage muss aber zunächst einmal geklärt werden, bevor das Gesetzgebungsverfahren erfolgreich Fahrt aufnehmen kann.
Titel 3 Art. 23 Abs. 2 e der Richtlinie birgt ein weiteres Umsetzungsproblem, da die Entschuldung nach dieser Regelung an die Begleichung der Verfahrenskosten geknüpft werden kann. So wirtschaftlich unvernünftig es auch erscheint, gerade die Verfahren länger laufen zu lassen, in denen kein Ertrag zu erwarten ist, wird dennoch bereits eine Laufzeit von vier Jahren für diese Fälle diskutiert und befürwortet. So soll ein Anreiz zur Aufbringung der Kosten des Verfahrens gesetzt werden. Da Kostenfragen bekanntlich sensible Fragen sind, muss auch hier noch mit einigem Klärungsbedarf gerechnet werden.
Besonders bewegt die Praxis aktuell die Frage, wann die Änderungen in Kraft treten und wie mögliche Übergangsregelungen aussehen könnten. Eine Rückwirkung der kommenden Laufzeitverkürzung auch in den bereits laufenden Verfahren wird für rechtlich schwierig und unwahrscheinlich gehalten. Schon eher wird die Möglichkeit gesehen, die Änderungen der Restschuldbefreiung in einer eigenen gesetzlichen Regelung vorzuziehen und damit von den weiteren Änderungen abzukoppeln. Würde dieser Weg gegangen, könnte die Verkürzung wohl Mitte 2020 in Kraft treten. Scheitert allerdings die jetzige Bundesregierung, wie häufiger vorausgesagt, und werden dadurch Neuwahlen erforderlich, wären diese Überlegungen wegen des Prinzips der parlamentarischen Diskontinuität schon wieder Makulatur. Das Gesetzgebungsverfahren müsste dann von Neuem beginnen.
Diese Beispiele strittiger Fragen und offener Punkte sollten aber das Engagement für eine vorbehaltlose Verkürzung der Laufzeit für Unternehmer und Verbraucher auf drei Jahren nicht einschränken, sondern eher bestärken. Die Restschuldbefreiung ist und bleibt eine der wichtigen Errungenschaften unserer sozialen Marktwirtschaft. Sie dient nicht nur dem einzelnen Überschuldeten, sondern fördert ebenso die Interessen der Allgemeinheit, wenn sie Schattenwirtschaft, dauerhaften Sozialleistungsbezug und Sucht- oder andere Langzeiterkrankungen einschränkt oder verhindert (so auch BGH ZVI 2015, 378). Die Restschuldbefreiung jetzt durch eine Verkürzung der Laufzeit attraktiver zu machen, ist daher der richtige Weg.
Rechtsanwalt Kai Henning, Dortmund

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