ZVI 2019, 1

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht ZVI 2019 EditorialAndreas Schmidt

It was twenty years ago today…

20 Jahre Insolvenzordnung… das ist vielleicht nicht in jeder Hinsicht ein Grund zum Feiern, aber doch wohl für einen kurzen Rückblick. Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, aber bis Ende 1998 war es dem Schuldner in Deutschland nicht möglich, sich zu entschulden. Erst mit Inkrafttreten der InsO traf der Gesetzgeber die in jeder Hinsicht zu begrüßende Entscheidung, wonach es dem Schuldner ermöglicht wird, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (§ 1 Satz 2 InsO).
7. Dezember 1998. In München wird Geschichte geschrieben. Das AG München erlässt – noch vor dem Inkrafttreten der InsO zum 1. 1. 1999 – den ersten Beschluss zum neuen Recht – das war damals ungemein Aufsehen erregend. Worum ging es? Es ging um die Frage, ob der mittellose Schuldner für ein Verbraucherinsolvenzverfahren, welches er mit dem Ziel betreibt, die Restschuldbefreiung zu erlangen, Prozesskostenhilfe bekommt. Das AG München hat diese Frage bejaht; einige Insolvenzgerichte schlossen sich dem an, die Mehrzahl aber nicht. Dies hatte zur Folge, dass bundesweit insgesamt betrachtet nur sehr wenige Schuldner Zugang zum Verfahren bekamen.
Der Gesetzgeber hat dann ja bekanntlich sehr schnell reagiert. Zum 1. 12. 2001 sind die §§ 4a ff. InsO in Kraft getreten; viele bezeichnen dieses Datum als die echte Geburtsstunde des Privatinsolvenzrechts. In den Folgejahren stiegen die Verfahrenszahlen kräftig an. Seit 2007 haben sie sich etwa auf dem Niveau von 100.000 Verfahren pro Jahr eingependelt.
Heute ist die Privatinsolvenz längst in der Gesellschaft angekommen und überhaupt nicht mehr wegzudenken. Für viele Schuldner ist das ein Segen, auch wenn es hier und da ein wenig knirscht. Bei aller Kritik am Verfahren darf nicht übersehen werden, dass das Privatinsolvenzrecht und das Zusammenwirken von Schuldnerberatungsstellen, Insolvenzgerichten und Insolvenzverwaltern insgesamt funktioniert. Insbesondere ist die in letzter Zeit aus zahlreichen Kreisen hörbare Kritik am neuen Privatinsolvenzrecht, also des Rechts in der Gestalt des „Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“ vom 1. 7. 2014, im Kern sicherlich berechtigt, hier und da aber auch ein wenig überzogen. Wenn Politik zu wenig auf Sachverstand hört – Reform der Verbraucherentschuldung 2014 und in Zukunft, mit diesem Thema rund um den nunmehr vorliegenden Evaluationsbericht beschäftigt sich Heyer gleich zu Beginn des aktuellen Heftes.
Eines sollte man nicht verkennen: Der Gesetzgeber ist der 1999 bzw. 2001 eingeschlagenen Linie treu geblieben und hat – gegen in erster Linie fiskalisch motivierte Kritik aus einzelnen Bundesländern – weiterhin an der grundsätzlichen Marschrichtung mit eröffnetem Insolvenzverfahren und anschließender Wohlverhaltensphase festgehalten, und dies weiterhin bei der Möglichkeit der Stundung der Verfahrenskosten. Außerdem stehen dem Schuldner gleich mehrere sinnvolle Wege zur Entschuldung offen: Gelingt es dem Schuldner, sich mit seinen Gläubigern auch ohne eröffnetes Insolvenzverfahren zu einigen, so kann er dies mit dem außergerichtlichen bzw. dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren. Dies geschieht still und leise, also ganz ohne Veröffentlichungen im Internet ZVI 2019, 2und somit auch ohne Schufa-Eintragung. Am sichersten ist wegen § 301 InsO der Weg zur echten Restschuldbefreiung: Der Schuldner wird im Regelfall nach sechs Jahren, u. U. aber auch schon nach drei Jahren von sämtlichen Insolvenzforderungen befreit. Eine Ausnahme bilden bekanntlich die Forderungen, die gem. § 302 InsO angemeldet und als solche zur Tabelle festgestellt sind. Die kann der Schuldner aber loswerden, wenn es ihm gelingt, eine Mehrheit der Gläubiger zu finden, die einem Insolvenzplan zustimmt, der bereits seit geraumer Zeit auch in der Verbraucherinsolvenz möglich ist. Ich finde, dass man da als Schuldner nicht wirklich meckern kann.
Und wie geht es weiter? Die Insolvenzordnung kommt nicht zur Ruhe. Der Entwurf einer „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU“ war im September Gegenstand der Abstimmung des Europäischen Parlaments. Angesichts des Endes der Legislaturperiode könnte ein Verhandlungsergebnis bis März 2019 vorliegen. Wenn auch der Fokus dieser Richtlinie vornehmlich auf Unternehmer gerichtet ist, hat sie auch Auswirkungen auf das Verbraucherinsolvenzverfahren. Der Evaluationsbericht der Bundesregierung und die anstehende EU-Richtlinie – die Chance einer Neuorientierung, so lautet das Thema von Jäger/Stephan, ebenfalls in diesem Heft.
Eines steht fest: Es bleibt auch nach 20 Jahren spannend!
Dr. Andreas Schmidt

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