BAG: Pfändbares Arbeitseinkommen iSv. § 850 Abs. 2 ZPO - Entgeltumwand-lung nach Pfändungs- und Überweisungsbeschluss

15.10.2021

Nr. 33/21

Die Parteien streiten darüber, ob die monatlich von der Beklagten aufgrund einer mit der Streitverkündeten vereinbarten Entgeltumwandlung zu zahlende Versicherungsprämie in eine von der Beklagten zugunsten der Streitverkündeten abgeschlossene Lebensversiche-rung (Direktversicherung) zum pfändbaren Einkommen der Streitverkündeten iSv. § 850 Abs. 2 ZPO gehören.

Der Kläger ist der geschiedene Ehemann der Streitverkündeten. Die Beklagte ist deren Ar-beitgeberin. Im Rahmen der Scheidung des Klägers und der Streitverkündeten war es zu einer Vereinbarung über die Aufteilung von Schulden aus einem laufenden Bauprozess gekommen. In diesem Zusammenhang wurde die Streitverkündete im Wege eines familiengerichtlichen Versäumnisbeschlusses zur Zahlung von 22.679,60 Euro nebst Zinsen an den Kläger verpflich-tet. Aufgrund dieses Versäumnisbeschlusses erwirkte der Kläger einen Pfändungs- und Über-weisungsbeschluss über das gegenwärtige und zukünftige Arbeitseinkommen der Streitver-kündeten. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Beklagten im November 2015 zugestellt. Im Mai 2016 schlossen die Streitverkündete und die Beklagte eine Entgelt-umwandlungsvereinbarung. Diese hatte eine betriebliche Altersversorgung im Wege einer Direktversicherung zum Gegenstand. Nach dem Versicherungsvertrag ist Versicherungsneh-merin die Beklagte, Begünstigte ist die Streitverkündete. Der von der Beklagten monatlich in die Direktversicherung einzuzahlende Beitrag beträgt 248,00 Euro. In der Folgezeit leistete die Beklagte aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Zahlungen an den Klä-ger, wobei sie bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens der Streitverkündeten den monatlichen Versicherungsbeitrag iHv. 248,00 Euro unberücksichtigt ließ.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten höhere Zahlungen. Er hat die Auffas-sung vertreten, dass die Entgeltumwandlung das pfändbare Einkommen der Streitverkünde-ten nicht reduziere. Diese habe mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbe-schlusses die Verwertungszuständigkeit über ihre Forderung verloren. Im Übrigen gelte der Rechtsgedanke des § 850h ZPO.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr teilweise stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. 2

Die Revision der Beklagten war vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitgeber für den/die Arbeitnehmer/in eine Direktversicherung abschließt und ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeit-nehmers/der Arbeitnehmerin durch Entgeltumwandlung für seine/ihre betriebliche Alters-versorgung verwendet werden, liegt insoweit grundsätzlich kein pfändbares Einkommen iSv. § 850 Abs. 2 ZPO mehr vor. Daran ändert der Umstand, dass die Entgeltumwandlungsverein-barung erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getroffen wurde, jedenfalls vorliegend deshalb nichts, weil die Streitverkündete mit der mit der Beklagten ge-troffenen Entgeltumwandlungsvereinbarung von ihrem Recht aus § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG* auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht hat und der in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgesehene Betrag nicht überschritten wurde. Bei einer an § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG orientierten normativen Betrachtung stellt die von der Streitverkünde-ten mit der Beklagten getroffene Entgeltumwandlungsvereinbarung keine den Kläger als Gläubiger benachteiligende Verfügung iSv. § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO dar. In einem solchen Fall scheidet zudem ein Rückgriff auf § 850h ZPO aus. Ob eine andere Bewertung dann geboten ist, wenn - anders als hier - ein höherer Betrag als der in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgese-hene umgewandelt wird, musste der Senat nicht entscheiden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Oktober 2021 - 8 AZR 96/20 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 14. August 2019 - 11 Sa 26/19 -

*§ 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG:

Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltum-wandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden.

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