ZVI 2018, 41

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln 1619-3741 Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht ZVI 2018 EditorialAndreas Schmidt

Restschuldbefreiung i. S. d. §§ 286 ff. InsO und insolvenzplanspezifische Entschuldung – Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Spätestens seit der sog. Dönerbuden-Entscheidung des AG Hamburg (ZVI 2017, 304; mit Beschluss v. 15. 1. 2018 – 326 T 40/17, der in einem der nächsten Hefte veröffentlicht werden wird, hat das LG Hamburg den Beschluss zwischenzeitlich aufgehoben) ist das Verhältnis von Restschuldbefreiung i. S. d. §§ 286 ff. InsO und der insolvenzplanspezifischen Entschuldung in den Fokus gerückt. In dieser Entscheidung war das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners ausschließlich aufgrund eines Gläubigerantrags eröffnet worden; einen Eigenantrag hatte der Schuldner nicht gestellt. Das Gericht entschied, dass der vom Schuldner vorgelegte Insolvenzplan, mit dem dieser quasi das Ziel der Restschuldbefreiung habe erreichen wollen, schon deshalb zurückzuweisen sei, weil der Schuldner mangels eigenen Insolvenzantrags auch keinen Restschuldbefreiungsantrag hätte stellen können. Mit dieser Entscheidung beschäftigt sich der Beitrag von Wegener (ZVI 2018, 43 (in diesem Heft)), der zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser Entscheidung nicht gefolgt werden kann.

Verhältnis Restschuldbefreiung i. S. d. §§ 286 ff. InsO ./. insolvenzplanspezifische Entschuldung

Aber auch unabhängig von dieser Entscheidung stellt sich die Frage, wie sich die Restschuldbefreiung i. S. d. §§ 286 ff. InsO und die insolvenzplanspezifische Entschuldung zueinander verhalten. Stellt man sich auf den Standpunkt, dass der Schuldner, der einen Eigenantrag und einen Restschuldbefreiungsantrag in zulässiger Weise gestellt hat, generell neben dem Insolvenzplanverfahren ein Restschuldbefreiungsverfahren betreiben kann, so würde man zu folgendem Ergebnis gelangen: Der Schuldner würde über die Wirkungen des Insolvenzplans hinaus gewissermaßen vorsorglich von sämtlichen Insolvenzforderungen befreit werden (§ 301 Abs. 1 InsO); hiervon wären zunächst auch sämtliche Forderungen etwaiger sog. Nachzügler erfasst, also von Gläubigern, die – aus welchem Grund auch immer – nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen. Ausgenommen hiervon wären nicht einmal Nachzügler-Forderungen gem. § 302 InsO, da § 302 InsO zwingend voraussetzt, dass die Forderung zur Tabelle angemeldet und als solche festgestellt worden ist.

Nebeneinander möglich?

Aber ist ein solches Nebeneinander wirklich möglich? Hier und da hört man, dass einige Insolvenzgerichte dies so praktizierten. Veröffentlichte Entscheidungen hierzu existieren – soweit ersichtlich – indes nicht.
Gem. § 227 Abs. 1 InsO wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen Gläubigern befreit. Von dieser Regelung werden nicht nur die beteiligten Gläubiger erfasst, sondern gem. § 254b InsO sämtliche Gläubiger des Schuldners. Die Art dieser Restschuldbefreiung geht teilweise sogar weiter als die Wirkung des § 301 Abs. 1 InsO, da über diese ZVI 2018, 42Regelung sämtliche Gläubiger erfasst werden. Somit wirkt die insolvenzplanspezifische Entschuldung auch zu Lasten von Gläubigern mit Forderungen gem. § 302 InsO, deren Forderungen bei der Erteilung der Restschuldbefreiung i. S. d. §§ 286 ff. InsO nicht erfasst werden würden, wenn diese Forderungen als deliktische Forderungen angemeldet worden wären, § 174 Abs. 2 InsO.
Die Regelungen des Insolvenzplanverfahrens enthalten indes auch Risiken gegenüber der Restschuldbefreiung i. S. d. §§ 286 ff. InsO. Der Schuldner ist verpflichtet, die Gläubiger entsprechend der Regelung im Insolvenzplan zu befriedigen. Dies mag gegenüber den bekannten Gläubigern, die ihre Forderung angemeldet haben, unproblematisch sein. Jedoch steigt das Risiko, wenn sich bisher nicht berücksichtigte Gläubiger nach Aufhebung des Verfahrens melden. Diese Gläubiger können gem. § 259b Abs. 1 InsO noch ein Jahr lang nach der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses ihre Forderungen geltend machen. Waren die finanziellen Mittel knapp kalkuliert, kann der Schuldner möglicherweise nicht mehr alle Forderungen befriedigen. Dieses Risiko besteht auch dann, wenn der Schuldner seine Einkommensquelle verliert.

Restschuldbefreiung als backup?

Hat der Schuldner im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens aber die Möglichkeit, eine insolvenzplanspezifische Entschuldung mit den zuvor beschriebenen Chancen und Risiken zu erlangen, kommt es entscheidend darauf an, ob er als eine Art „Backup“ (Terminus von Blankenburg, ZVI 2017, 89) zusätzlich ein Restschuldbefreiungsverfahren i. S. d. §§ 286 ff. InsO betreiben kann. Dies ist für den Schuldner generell von Vorteil, weil er dann noch die Möglichkeit hat, bei Bestätigung des Insolvenzplans zusätzlich von sämtlichen Nachzügler-Forderungen befreit zu werden, oder aber bei Scheitern des Insolvenzplans wenigstens die Restschuldbefreiung i. S. d. §§ 286 ff. InsO erteilt zu bekommen.
Kommt es im Insolvenzplan zu einer Regelung hinsichtlich der Befriedigungshöhe zulasten der Gläubiger, greift § 227 Abs. 1 InsO ein. Der Schuldner erhält dann entsprechend den Konditionen des Insolvenzplans die insolvenzplanspezifische Entschuldung. Das Insolvenzverfahren wird sodann gem. § 258 Abs. 1 InsO aufgehoben. Eines Restschuldbefreiungsverfahrens i. S. d. §§ 286 ff. InsO bedarf es dann eigentlich nicht mehr, so dass schon das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines solchen Verfahrens fehlen könnte. Entscheidend aber dürfte sein, dass ein solches Restschuldbefreiungsverfahren i. S. d. § 286 ff. InsO nicht rechtskonform durchgeführt werden könnte. Das Restschuldbefreiungsverfahren ist derart gestaltet, dass die Gläubiger auf § 290 InsO bzw. §§ 295, 296 InsO gestützte Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen können. Wird kein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt, so wird diese dem Schuldner am Ende der Abtretungsfrist erteilt. Das Insolvenzverfahren endet dagegen im Falle eines Insolvenzplans mit der Aufhebung gem. § 258 InsO. Wird der Insolvenzplan durch den Schuldner nicht erfüllt, lebt nicht etwa das gesamte Insolvenzverfahren wieder auf. Vielmehr stehen den Gläubigern allein die Rechte aus § 255 InsO zu. Das gerichtliche Verfahren ist daher im Falle eines bestätigten Insolvenzplans mit der Aufhebung gem. § 258 InsO abgeschlossen und kann nicht bei einem Scheitern des Insolvenzplans in Form des Restschuldbefreiungsverfahrens wiederaufleben. Aus diesen systematischen Gründen ist es für den Schuldner nicht möglich, nach der Aufhebung gem. § 258 InsO in ein Restschuldbefreiungsverfahren i. S. d. §§ 286 ff. InsO zu gelangen (so auch zutreffend Blankenburg, ZVI 2017, 89).

Fazit

Restschuldbefreiung i. S. d. §§ 286 ff. InsO und insolvenzplanspezifische Entschuldung sind zwei unterschiedliche Wege zu einem „fresh start“. Der Schuldner kann nicht beide Wege in einem Verfahren begehen, sondern muss sich für einen Weg entscheiden. Ist aber einer der beiden Wege versperrt, so kann der Schuldner unabhängig davon den anderen Weg wählen. Dies sieht die erwähnte Entscheidung des AG Hamburg anders: Sie versperrt dem Schuldner den Weg zur insolvenzplanspezifischen Entschuldung, wenn die Voraussetzungen für eine Restschuldbefreiung i. S. d. §§ 286 ff. InsO nicht vorliegen.
Dr. Andreas Schmidt

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